Sonntag, 20. November 2011

Die Rosenkavalier-Abwicklungs GmbH

©Sarah-Maria
Im Januar 1929 hatte die Wiener Dirigentin und Komponistin Lise Maria Mayer in der damals noch in der Bernburger Straße 22a/23 ansässigen Berliner Philharmonie ihren ersten und zugleich letzten Auftritt in Berlin. Auf dem Programm stand Beethoven, Carl Maria von Weber und eine ihrer eigenen Kreationen mit dem Titel „Kokain“.

Dass nach der Konzertpause ein völlig empörter Mann die Bühne stürmte, hatte jedoch weder mit der Stückauswahl noch mit der künstlerischen Leistung insgesamt zu tun. Er fühlte sich vielmehr um ein Date betrogen, denn im Vorfeld des Konzertes war in einer Berliner Kontaktanzeige zu lesen gewesen, dass eine junge, schöne, verwitwete und damit stinkreich gewordene Wienerin in Berlin einen Mann suche.

Auf über hundert Rückzuschriften antwortete das begehrte Fräulein blanko, dass sie an Abend des Konzertes in der Philharmonie auf den vordersten Plätzen sitze und als Erkennungszeichen einen Strauß weißer Rosen bei sich trägt. Ergo tummelten sich an besagten Abend ein Haufen Single-Männer in den vordersten Reihen, um ganz nah bei der schönen Unbekannten zu sein. Jedoch war von der Dame mit den weißen Rosen weit und breit keine Spur.

In der Konzertpause passierte dann das unvermeidliche und die Sache flog auf. Wütend darüber, dass sie offenbar einem Betrüger ins Netz gegangen waren und alle auf die selbe Dame warteten, ließen die geprellten Herren ihrem Unmut freien Lauf: die Dirigentin fiel in Ohnmacht, die Polizei musste eingreifen und der Männer-Mob erstatteten schlussendlich Anzeige wegen Betrugs. Der Gesamt-Schaden um den es ging war nicht zu unterschätzen, denn die Karten in den vordersten Reihen waren nicht gerade billig und einer der Herren hatte sich sogar extra einen Smoking schneidern lassen.

Zum Glück der Betrogenen konnte der Übeltäter schnell ausgemacht werden: es war der Ehemann der Dirigentin, welcher mit der Aktion den Kartenverkauf ein wenig ankurbeln wollte. Ob jener den Pausen-Tumult, zwecks Publicity, nicht sogar auch noch eingefädelt hatte, konnte nie ganz geklärt werden. Die Herren gründeten jedenfalls die „Rosenkavalier-Abwicklungs GmbH“, um ihr Geld wiederzubekommen und Lise Marie Mayer verzieh, nach anfänglichen Scheidungsplänen, ihrem werten Gatten.

Quellen:
Haffner, H.: Der "Kokain-Skandal" in der Berliner Philharmonie. In: Berliner Morgenpost, (05.06.2008).

4 Kommentare:

  1. Schöne Geschichte, die gelesen zu haben, läßt sich der Tag gut angehen!
    Merci!

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  2. Was tut man nicht alles, um seine Ware zu verkaufen. Allerdings ist ein gewisser nostalgischer Flair in dieser Affäre enthalten. In der heutigen Internet Zeit ist ein Blind Date kaum möglich. Man will zunächst das Foto sehen:-(

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  3. Stimmt. So weit hab ich gar nicht gedacht. Das ist wieder eine ernüchternde Nachricht.
    Aber trotzdem: ich glaube, solche Fehler werden mir weiterhin ständig passieren.

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  4. @lotus-eater: stimmt, heute wäre so was wohl schwer möglich.... wäre aber mal interessant zu schauen, was passiert, wenn man so eine kontaktanzeige bei elitepartner, usw. posten würde..... ;))))

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