Freitag, 30. Dezember 2011

Opern-Jahresrückblick

Zuerst die Tops:
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Ein wirkliches Highlight in diesem Jahr war es den Hamburger Ring von Claus Guth nun endlich einmal tutto completto sehen zu können. Ich habe zwar alle Teile zwischen 2-10 Mal gesehen, aber zusammen wirken sie noch viel eindrucksvoller!

Weiter ging’s mit den Wagner-Highlights im Kino und der Walküre-Live-Übertragung aus der Met. In der mir Jonas Kaufmann überraschend gut als Siegmund gefallen hat. Denn irgendwie konnte ich ihn mir in der Rolle vorher beim besten Willen nicht vorstellen – auch wenn ich mit lyrisch-affinen Siegmund-Sängern da durchaus die besten Erfahrungen gemacht habe. Noch besser und vielleicht meine Jahres-Lieblings-Performance hat aber Bryn Terfel als Wotan abgeliefert. Da blieb nix auf der Strecke – außer vielleicht jedwede Gelassenheit meinerseits. Ich war richtig durchgequirlt und aufgewühlt im Anschluss. Oder, um es mit Wagners Worten zu sagen: „Die Musik spricht nicht die Leidenschaft, die Liebe, die Sehnsucht dieses oder jenes Individuums in dieser oder jener Lage aus, sondern die Leidenschaft, die Liebe, die Sehnsucht selbst.“

Ebenso hat mich der Herheim Parsifal in Bayreuth, wenn auch nicht musikalisch, aber doch als perfekte Regie derb getroffen. Dort auf der Bühne stimmte einfach alles: die Bühnenbilder waren dermaßen ästhetisch, dass man wie gebannt hinstarrte und zudem kam auch keinesfalls der Intelektuelle Kitzel zu kurz.  

Und als absolutes Überraschungs-Bonbon in Sachen Wagner gilt für mich in diesem Jahr der Tristan in Bochum! Da war ich noch Tage später schlimm beschwipst. Die Regie von Willy Decker hat den Wagner’schen Verschmelzungs-Gedanken perfekt aufgegriffen und synchron zur Musik verstärkt. So muss Regie sein! Definitiv die beste Tristan-Inszenierung, die ich jemals gesehen habe! Und auch musikalisch gab’s einiges zu entdecken: denn bedingt durch die Hallen-Akustik kam die Musik doch ein wenig anderes daher, was zwar ungewohnt, jedoch keinesfalls schlecht war. Und Anja Kampe als Isolde hat mich mehr als positiv überrascht. Nicht ganz so überragend, aber dennoch gut war da Christian Franz als Tristan.

Ziemlich viel Wagner war’s in diesem Jahr. Doch es gab in meinen persönlichen Highlights durchaus auch noch andere Komponisten: ein echtes Positiv-Erlebnis war z.B. der Don Carlos der Berliner Staatsoper im Schillertheater. Da stimmte einfach alles: das Stück an sich, die Inszenierung und die Besetzung. Dabei allen voran René Pape als König Phillip.

Eher unbekannt dürften den meisten hingegen die Opern „Die Komödie auf der Brücke“/ „Wir sind daheim“ sein, die das Internationales Opernstudio der Hamburgischen Staatsoper in der Opera Stabile auf die Bühne brachte und damit nicht nur gesanglich gepunktet sowie Lust auf mehr gemacht hat, sondern auch in Sachen Regie, Bühnenausstattung und Schauspiel einiges zu bieten hatte.
  
 
©Sarah-Maria
Und nun zu den Flops:
Als absolute Krönung aller Regie-Katastrophe im Jahre 2011 platziere ich den Hamburger Don Giovanni. Wobei die Vollendung des Hannoveraner Ring-Zyklus vermutlich auch gute Chancen auf diese Auszeichnung hätte, jedoch habe ich mir, nachdem ich das Rheingold und die Walküre gesehen habe, aus Gründen des Selbstschutzes dieses Drama nicht weiter angetan. Und kann daher nichts davon berichten.

Dramatisch schlecht inszeniert war außerdem Samson und Dalila in der Deutschen Oper Berlin: anfangs war’s ja zumindest noch in Sachen Design ganz hübsch, aber das hat sich gen Ende auch mehr als stark verflüchtigt. Und da es weder ein gutes noch ein durchdachtes Ideen-Konzept in der Regie gab, blieb an Positiven halt nur das Anfangs-Bild.

Ein richtiges Trauerspiel war außerdem die Madama Butterfly in Bremen. Und gilt für mich irgendwie als Sinnbild dafür, was alles im Bremer Goethetheater schief läuft: denn bei mir hat sich der Eindruck verfestigt, dass das Theater auf Teufel komm raus die Oper „entstauben“ will – was ja erstmal nicht unbedingt etwas Schlechtes ist, jedoch hakt es da in der Umsetzung: denn nur weil man den Darstellern sinnbildliche Partyhüte aufsetzt, wird das Ganze nicht gleich zu einem gelungenen Fest. Denn egal, ob jung oder alt: wer sich grundsätzlich nicht für Kunst im Allgemeinen und Musik im Speziellen interessiert, wird niemals zur Oper finden und da Kunst vor allem eins sein muss – nämlich gut – damit die Leute wiederkommen, ist es meiner Meinung nach der falsche Weg nur auf Effekte, kurze Röcke und Tamtam zu setzen.


Aber was waren eure Opern Tops und Flops im Jahr 2011?

Donnerstag, 29. Dezember 2011

Mozarts Tipp


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Als Mozart eines Tages von einem seiner Musikschüler gefragt wurde, wie man es anstellt eine ordentliche Symphonie zu schreiben, antwortete er: „Sie sind noch ein sehr junger Mann. Warum fangen Sie nicht mit einfachen Liedern an?“ Doch sein ehrgeiziger Schüler ließ nicht locker und erwiderte: „Aber Sie haben Symphonien bereits im Alter von zehn Jahren komponiert.“ Daraufhin bekam der Schüler seine Antwort: „Das ist richtig, aber ich habe nicht nach dem 'wie' gefragt.“

Quellen:
Symphonieorchester der Medizinischen Hochschule Hannover: Zitat_09_1104. http://www.mhh-orchester.de/index.php/component/content/article/61-zitat/118-zitat0909.html (abgerufen am 28. Dezember 2011).

Sonntag, 25. Dezember 2011

Hiebe der Liebe

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Otto Klemperer war seinerzeit einer der gefragtesten Dirigenten weltweit. Doch nicht bei jedem war er gleichermaßen beliebt: 1912 musste er Hamburg fluchtartig verlassen. Denn ganz offensichtlich war seine Affäre mit der verheirateten Sängerin Elisabeth Schumann aufgeflogen: ihr Ehemann verpasste Klemperer just vor Beginn einer ausverkaufen Lohengrin-Vorstellung einige unmissverständliche Hiebe mit einer Reitpeitsche.

Quellen:
Hamburgische Staatsoper: Gebt Opern oder wir sterben. http://www.hamburgische-staatsoper.de/de/1_staatsoper/hso/jubilaeum/index.php (abgerufen am 25. Dezember 2011).

Samstag, 24. Dezember 2011

Weihnachtsgeschenke von Verdi ;)


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Heute vor 140 Jahren, am 24. Dezember 1871, wurde Guiseppe Verdis Oper Aida in Kairo uraufgeführt. Schon die Eröffnung des Opernhauses, welches im Zusammenhang mit der Fertigstellung des Suezkanals erbaut wurde, wurde mit einer Verdi-Oper, dem Rigoletto, bestritten - und da dies ein voller Erfolg war, wurde Verdi nun gebeten den Aida-Stoff musikalisch zu gestalten. Dafür bekam er 150 000 Goldfrancs und damit die höchste Gage, die bis Dato ein Komponist für eine Oper bekam.

Bereits nach vier Monaten, im November 1870, beendete Verdi die Komposition zur Aida und die Vorbereitungen zur Uraufführung liefen auf Hochtouren: Verdis berühmte Aida-Trompeten wurden angefertigt und auch das aufwendige Bühnenbild ging in die Herstellungs-Phase. Alles lief nach Plan – bis der Deutsch-Französische Krieg dazwischen kam und die Requisiten in Paris festhingen, nicht verschifft werden konnten und die Uraufführung schließlich auf oben genanntes Datum verschoben werden musste.

Die Uraufführung in Kairo war ein voller Erfolg. Gleiches wünsche ich euch allen für das heutige Weihnachtsfest! Ich drück‘ euch die Daumen, dass ihr mehr Glück mit den Requisiten habt und eure Geschenke nicht noch in der Weihnachtspost festhängen! ;) 

Quellen:
Fath, R.: Reclams kleiner Verdi-Opernführer. Stuttgart: Reclam, 2000.

Montag, 19. Dezember 2011

Don Carlos - Staatsoper Hamburg

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In der Hamburgischen Staatsoper wurde gestern Don Carlos in Peter Konwitschnys Regie in der französischen Urfassung gespielt – und nicht nur das: es waren einige Szenen enthalten, die Verdi auf Wunsch der Pariser Oper noch vor der Uraufführung streichen musste, weil die Oper sonst so lang gewesen wäre, dass das Publikum nicht mehr den letzten Zug der Pariser Vorortbahn erreicht hätte. Und dabei bleibt festzuhalten, dass Don Carlos zu den kürzesten der 5-Stunden-Opern auf der Gefühlt-Skala gehört – finde ich jedenfalls. ;)

Am Anfang ist das Bühnenbild noch offen, schließt sich aber nach dem erzwungenen Beziehungsaus von Carlos und Elisabeth und bleibt fortan eingezäunt von einer himmelshohen unüberwindbaren Mauer, die nur durch, für einen Menschen viel zu kleine, Türen betreten und verlassen werden kann. Die Protagonisten kommen gebückt in die Szenerie und müssen sie so auch wieder verlassen.

Daran ändert auch die Pause nichts - nach der nix mehr ist, wie es war – scheinbar jedenfalls: denn für die Ketzerverbrennung konnte, sollte und durfte sich jeder hinsetzen, wo er wollte, während die Ketzer medienwirksam, gefolgt von einem Tross Fotographen und begleitet von einer Blaskapelle, durch’s Publikum gezerrt wurden. Dass das Hamburger Publikum damit ganz selbstverständlich den Part der geifernden Masse im Spektakel Menschenverbrennung übernommen hatte bzw. die Menschenverbrennung erst dadurch hat zum Spektakel werden lassen, dürfte den meisten erst aufgefallen sein, als im Bühnenhintergrund Kriegs- und Folterbilder gezeigt wurden, sowie Flyer von den obersten Rängen geworfen wurden - was szenisch sehr an die Flyer der Weiße Rose in der Münchener Universität erinnerte.

Freilich war nach dem Spektakel Schluss mit Lustig und das Bonbon der freien Platzwahl - à la der Pöbel sitzt nun in der ersten Reihe – galt nicht mehr. Alles kehrte wieder zurück auf seinen Platz. Und für jeden, der sich im Don Carlos schon immer gefragt hat, warum sich die Bauern zum Schluss doch wieder der Kirche bzw. dem König – sprich den Verhältnissen - unterwerfen, dürfte, nach der erfolgreich absolvierten Teilnahme an dem Publikum-Experiment Zementierung der Verhältnisse, nunmehr diese Frage beantwortet wissen. Man ist nicht nur Opfer der Verhältnisse, sondern sorgt auch dafür, dass sie so bleiben.

Treffend geht es nach der zweiten Pause und dem Sortieren des Publikums mit der Szene weiter, in der König Philippe, der Tyrann und Zerstörer der Liebe, sich verzweifelt danach sehnt geliebt zu werden: „Die Trauer des Königs zeigt uns, welchen Preis ein Mensch für die Macht zahlen muss. Er ist nämlich gezwungen, sein Menschliches hinzugeben. Er wird mächtig sein, aber nicht glücklich. Und darin zeigt sich, dass Verhältnisse, die auf Macht gegründet sind, unmenschlich sind, dass sie Menschen zerstören, in ihrem Innersten und Eigentlichsten verwunden.“ (Konwitschny im Programmheft S.25) König Philipp wurde gestern Abend von Tigran Martirossian gesungen, der es verstand eben jenen Zwiespalt auch in seine Interpretation einzubauen.  

Der König singt diese Arie passend während/unmittelbar nach seinem Ehebruch mit Prinzessin Eboli, welche gestern Abend von Nadja Michael gesungen wurde, deren Stimme und Interpretation ich bisher noch nie fesselnd fand – und daran hat sich auch gestern Abend nix geändert. Ich fand ihre Eboli in erster Linie laut und total unterkühlt. Nun möchte man meinen, dass einer Rolle wie der Eboli eine gewisse Kälte ja quasi innewohnt. Doch da liegt man – zumindest stimmlich – falsch. Denn neben Kalkül und Berechnung, steckt in der Prinzessin auch die unerwiderte Liebe zu Don Carlos, der glühende Hass und die späte Reue. Konwitschny nutzt in seiner Regie den (eigentlichen) Ballettteil dafür, um herauszukitzeln, das Prinzessin Eboli sich ja eigentlich „nur“ ein normales, aber glückliches Eheleben wünscht. Dass sie sich in ihrem Verhalten, aber als nicht gerade liebenswert erweist, verdeutlicht, dass sie im wahrsten Sinne des Wortes verrückt ist, da sie sich offenbar völlig von der Realität entrückt hat.

Neben dem Ehebruchs des Königs und der unmittelbar anschließenden Verdächtigung Elisabeths ein heimliches Verhältnis mit Don Carlos zu haben, sticht an Grausamkeiten freilich besonders heraus, dass der König nicht nur das Glück seines Sohnes opfert, sondern er auch durchaus des Öfteren bereit ist ihn umbringen zu lassen. Sterben muss am Ende ein anderer: nämlich der beste Freund von Carlos Rodrigue – gestern wirklich genial und unglaublich eindringlich gesungen von Rodion Pogossov. Da hilft es auch nix, dass der König nach der von ihm befohlenen Ermordung lamentiert: „Wer gibt mir diesen Toten wieder?“ Rodrigo ist der Ungerechtigkeit zum Opfer gefallen.

Elisabeth, die im Libretto als schöne Frau mit gutem Herzen angekündigt wird, und damit quasi zum Innbegriff der Liebe wird, wurde gestern Abend von Iano Tamar gesungen. Anfänglich fand ich sie ein wenig nicht-bei-der-Sache, das hat sich aber über den Abend verflüchtigt und insbesondere am Schluss legte sie noch mal ordentlich nach.

Ihr Geliebter Don Carlos wurde zunächst von Andrew Richards gesungen, welcher jedoch nach der Pause nicht wieder kam und durch Jean-Pierre Furlan ersetzt wurde, der sich schon seit Beginn der Vorstellung für den kränkelnden Ursprungs-Don bereit gehalten hatte und sich dabei als ein mehr als würdiger Ersatz herausgestellt hat.

Das Dirigat von Alexander Joel hatte es in sich: mit viel Temperament zerrte die Musik alles aus einem heraus und ließ einen niemals zur Ruhe kommen. So ging man am Ende mit viel sowie diversen Nachklang nach Hause.

Samstag, 17. Dezember 2011

Schostakowitschs Lady

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In Schostakowitschs Oper „Lady Macbeth von Mzensk“ findet sich im Zwischenspiel am Ende des ersten Aktes der erste en Détail auskomponierte Liebesakt in einer Oper wieder: nebst unverkennbarer Rhythmik wird der „Schluss“ recht lebensnah mit einem Posaunenglissando abwärts illustriert.

Die Uraufführung 1934 war ein Erfolg und wurde von Kritikern und Publikum gefeiert. Seitdem und bis zur Aufführung am 16. Januar 1936 im Moskauer Bolschojtheater war die Oper von den Spielplänen nicht mehr wegzudenken. Doch an eben jenem Abend saß Stalin seitlich über dem Orchestergraben in der Regierungsloge. Ebenfalls anwesend war Schostakowitsch Himself und bemängelte atmenlos und leicht blass um die Nase nach der Aufführung, die Stalin noch vor dem Schlussakkord verlassen hatte, dass vermutlich der hohe Staatsbesuch Schuld gewesen sei, dass das „Schaschliktemprament“ mit dem Dirigenten durchgegangen sei. Doch das wird vermutlich nicht der Grund gewesen sein für Stalins Ablehnung. 

Nun muss man wissen, dass Stalin damals eine schon leicht abgemilderte Fassung serviert wurde. Doch das half nix: zwei Tage später erschien in der Prawda ein Artikel mit dem Titel „Chaos statt Musik“ und verriss die Oper mit Beschreibungen, wie „linksradikale Zügellosigkeit“ oder „kleinbürgerliches Neuerertum“. Die Oper verschwand schlagartig von den Spielplänen und der Komponist komponierte nie wieder eine, sondern führte fortan nur noch linientreue Auftragsarbeiten aus.

Stalin dürfte sich nicht nur an dem Zwischenspiel gestört haben, sondern vor allem an der Titelheldin im Allgemeinen, denn trotz oder wegen ihrer Mordserie am tyrannischen Schwiegervater, Ehemann und ihrer Nebenbuhlerin sowie ihrem ausufernden Liebesleben mit finalen Freitod ist in Schostakowitschs Oper diese Lady durch Handlung und Musik absoluter Sympathieträger mit revolutionären Touch.

Denn, wenn auch nicht gerade linientreu, komponierte der damals 26jährige Schostakowitsch den Opernstoff in einer Zeit, in der die russische Jugend zum Thema sexuelle Freizügigkeit im Gegensatz zur propagierten züchtigen Fortpflanzung im Dienste der Sowjetgesellschaft heftig debattierte und ausprobierte. Zudem war Schostakowitsch selbst auch in einige Wirrungen mit seiner 1932 geheirateten Ehefrau Nina Warsar verstrickt, welcher er die Oper auch widmete.

1963 startete Schostakowitsch noch einen zweiten Anlauf, milderte den Text ab und strich die aufreizende Liebesakt-Musik. Womit die Oper fortan wieder gespielt werden drufte. Das Publikum liebte das Stück nach wie vor – was im Übrigen auch das Publikum diesseits des Eisernen Vorhangs tat: das Stück wurde vor allem in den 80er Jahren an so ziemlich jedem Staatstheater und Stadttheater in sich überschlagender und überschäumender Regie aufgeführt.

Übrigens erst 2004 wurde im Bolschojtheater erstmals wieder die unzensierte Fassung auf die Bühne gebracht. Die Originalpartitur konnte erst 1979, vier Jahre nach dem Tod des Komponisten, von Mstislaw Rostropowitsch der Öffentlichkeit übergeben werden.

"'Lady Macbeth' handelt auch davon, wie Liebe sein könnte, wenn nicht ringherum Schlechtigkeit herrschte. An diesen Schlechtigkeiten ringsum geht die Liebe zugrunde. An den Gesetzen, am Besitzdenken, an der Geldgier, an der Polizeimaschinerie. Wären die Verhältnisse anders, wäre auch die Liebe eine andere," schrieb Schostakowitsch über seine Oper.

Quellen:
Batta, A. (Hrsg.): Opera – Komponisten, Werke, Interpreten. Köln: Könemann Verlagsgesellschaft mbH, 1999. 
Schwarzer, S.: Zügellose Leidenschaft - Lady Macbeth von Mzensk in Wien. http://www.3sat.de/page/?source=/kulturzeit/tips/138915/index.html (abgerufen am 17. Dezember 2011).
Spahn, C.: Das Bett bleibt leer. http://www.zeit.de/2004/49/2xLadyMacbeth. (abgerufen am 17. Dezember 2011).
Lange, J..: Schattenspiele an der Wand. http://www.fr-online.de/theater/-lady-macbeth-von-mzensk--in-wien-schattenspiele-an-der-wand,1473346,2859834.html (abgerufen am 17. Dezember 2011).

Donnerstag, 15. Dezember 2011

[Ballett] Der Nussknacker - Staatsoper Hamburg

©Sarah-Maria
Wir alle wissen’s: es weihnachtet sehr – auch in der Hamburgischen Staatsoper! Denn da gab’s gestern den Ballett-Weihnachts-Klassiker schlechthin – den Nussknacker! Und da mich ja Tschaikowsky durchaus recht konsequent zum jeweiligen Veranstaltungsort zieht, war ich gestern dort.

Die Handlung von John Neumeiers Ballett ist ein bisserl anders as usual: Marie (Hélène Bouchet) feiert ihren Geburtstag und nicht Weihnachten. Sie wird 12 – und bewegt sich damit im Sprint aus dem Alter heraus, in dem man mit Puppen spielt. Auf ihrer Party bekommt sie zwei Geschenke: einen Nussknacker vom Army-Kumpel ihres Bruders (Günther = Thiago Bordin) sowie ein Paar Tanzschuhe vom Ballettmeister Drosselmeier (Ivan Urban) ihrer Ballerina-Schwester (Leslie Heylmann). Das Ende vom ersten Bild ist: Marie ist in Günther verschossen und vom Ballettmeister – das heißt viel mehr auch vom Ballett – fasziniert.

Nach der Party, mitten in der Nacht, schleicht sich Marie zu ihren Geschenken und probiert ihre neuen Tanzschuhe an. Von nun an bewegen wir uns in der Traumebene: ihr erscheint der Ballettmeister, der sie in die Welt des Theaters entführt. Dort begegnet sie – freilich – Günther erneut. Nun in Form eines Balletttänzers und sie tanzt ihren ersten „richtigen“ Tanz mit ihm.

Im dritten Bild wird Marie immer tiefer in die Ballett-Welt entführt und der/ihr Ballettmeister präsentiert ihr immer neue Bühnen-Darbietungen, von denen sie schließlich auch ein Teil wird - bis sie schließlich wieder erwacht.

©Sarah-Maria
John Neumeier legt in seiner Interpretation (von 1974) den Fokus auf den Abschied aus der Kindheit „… jener ‚zierliche‘ Moment, wo man aufhört , Kind zu sein, und doch noch nicht erwachsen ist.“ (Programmheft S.3). In den Ballettmeister Drosselmeier lehnt Neumeier Petipa an, der die Orginalchoreografie zur Tschaikowskys Nussknacker geschrieben hat. Er überzeichnet die Figur bewusst, im Sinne des Unterschieds zwischen den „normalen“ Menschen, denen wir im Alltag begegnen und der faszinierenden Welt des Theaters „….in seinem Dschungel, im Theater, ist er wunderbar geistig gesund und mächtig.“ (S.3) Dabei sieht Neumeier den Nussknacker bzw. die Schuhe als Symbole für die Entwicklung vom Traum zu einer echten Idee und Chance in der Realität.

Wie von Neumeier, der sich gestern Abend das Stück übrigens auch selbst angesehen hat, gewohnt, war die Choreographie absolut intuitiv und versetzt mit ungewöhnlichen Tanz-Bildern, die aber in ihrer Art 100%ig ästhetisch und reiz-end waren. Da merkt man richtig, wie sich im Hirn neue Synapsen-Vernetzungen bilden.

Das Hamburg Ballett und insbesondere die Solisten waren durchweg grandios. Besonders spannend fand ich die Interpretation von Hélène Bouchets Marie: ihre Bewegungen waren fragil, tastend, fragend - aber gleichzeitig so gekonnt und irgendwie intuitiv grazil. Ja ja, die Leichtigkeit ist ja schließlich eine Frage des Seins. ;)

Fazit: ein wunderbarer Abend! :)

Montag, 12. Dezember 2011

Das liebe Opernpublikum

©Sarah-Maria
Heute sendet der WDR um 23:15h eine Opern-Reportage der etwas anderen Art. Denn im Fokus stehen diesmal die Rezipienten: das Opernpublikum. Und zu Wort kommen Sänger, Intendanten, Garderobieren, Logenschließer und Historiker in Form von Michael Walter, Simone Kermes, Elena Filipova, Nikolaus Bachler, Eckart Altenmüller, Gérard Mortier und Jörg Splett.

Ich denke jeder, der sich ab und an mal in der Oper blicken lässt, kann ein Lied von lästigen bis kuriosen Sitznachbarn singen.

Ich z.B. habe nicht schlecht gestaunt, als in der Berliner Staatsoper mitten in der Ouvertüre zur Traviata zwei Frauen neben mir anfingen in ihren Taschen zu kramen und kurz darauf je eine Flasche Bier hervorzogen, die sie dann mit einem lauten Plop öffneten und vor sich hinsüppelten.

Einen wahren Knüller haben sich auch ein Grüppchen Damen geleistet, die nachdem Rolando Villazon sein „Kuda kuda“ in der Lindenoper beendet hatte und seinen Bühnentot gestorben ist, aufgestanden und gegangen sind, weil es ja nun, nach ihren eigenen Angaben, nix mehr zu sehen gäbe.

Einen wahrlich großen Auftritt hatte auch ein äußerst charmanter Herr, der mich in der Staatsoper Hannover von meinem Platz verjagen wollte, mit der Begründung, dass dieser vorhin im Internet-Saalplan noch frei gewesen sei und ich ihn mir mit meinen jungen Jahren sicher nicht gekauft hätte und mich, genau wie er, doch auch nur vorschummeln wollen würde. Von Studi-Tickets an der Abendkasse hatte er offenbar bis dato noch nix gehört.

©Sarah-Maria
Auch immer wieder ein Erlebnis ist das stöhnende, schwitzende und nach dem Pausen-Alkohol ergo recht penetrant müffelnde Publikum in Bayreuth. Ich war bisher zwei Mal dort und in meinen insgesamt 4 Vorstellungen ist in zweien jemand in meiner näheren Nachbarschaft zusammengeklappt und musste raus aus der Holzsauna auf dem Hügel an die frische Luft gebracht werden. Als dann das Festspielhaus in diesem Sommer stolz auf der Facebookseite verkündete, dass die ehemals blauen und nun grauen Mädchen alle einen Erste-Hilfe-Kurs belegen müssen, bevor sie zur Kartenkontrolle entsendet werden, dachte ich: immerhin denken sie mit ;)

Den längsten Buh-Hagel habe ich 2009 in der Berliner Staatsoper nach der Premiere von Simon Boccanegra gesehen. Ich hab die „Inszenierung“ später als konzertant abgehakt und bin noch ein zweites Mal reingegangen. Und den aufgebrachtesten Buh-Rufer kann ich nach der Premiere von Samson und Dalila 2011 in der Deutschen Oper Berlin verorten. Der werte Herr war so empört (zunächst nur über die Regie, jedoch später als er sich warm gebuht hatte auch über den kompletten Rest) dass er sich nicht entscheiden konnte, ob er mit einem großen „Pah“ das Haus auf der Stelle verlassen soll oder bis zum letzten Vorhang alles niederbuhen soll - so dass er immer mal wieder ging, jedoch wenige Minuten später wieder auftauchte, um erneut in Aktion zu treten. Dabei hielt er sich stets am Geländer fest, um von dem Rückstoß seines Buh-Konzertes nicht umgeweht zu werden.

Der nervigste Promi neben dem ich je saß ist mit Abstand Alexandra Neldel, neben der ich zur Spielzeiteröffnung 2009 der Berliner Staatsoper im Tristan gelandet bin und die schon nach wenigen Minuten tödlich gelangweilt auf ihrem Handy rumgetippt hat.

Und das schrägste Gerücht, was ich je gehört habe ist, dass mal jemand vom Rang der Hamburgischen Staatsoper ins Parkett gekotzt haben soll. Seitdem schau ich immer ein wenig bang nach oben, wenn ich in Spuckweite sitze.

Was sind eure größten Publikumserlebnisse?

Sonntag, 11. Dezember 2011

Der Taktstock

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Als Konrad Adenauer die englische Königin Elisabeth II. auf Schloss Augustusburg empfing, wollte er mit dem gerade erst gegründeten Stabsmusikkorps der Bundeswehr besonders auftrumpfen. Alles war bereit und es konnte losgehen, doch dann trat der Taktstockbeauftragte vor und meldete mit panischer Blässe um die Nase, dass er sein Arbeitsutensil vergessen habe. Die Hektik war groß. Doch einige seiner Kollegen retteten ihren ersten wichtigen Auftritt und schnitzten kurzerhand aus einem Weidenzweig einen nigelnagelneuen und schneeweißen Taktstock.

Quellen:
Raderer, F.C./Wehmeiner, R.: Fortissimo – Musiker-Anekdoten: Stuttgart: Reclam, 2009

Freitag, 9. Dezember 2011

Zur Biographie Brahms in Hamburg

Brahms Geburtshaus:
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Im Hamburger Gängeviertel, das Viertel in dem derzeit ein neues Künslterquartier entsteht, wurde am 7. Mai 1833 Johannes Brahms im Specksgang 24 (heute Speckstraße 60) geboren. Das Haus „liegt in einer der krümmsten, engsten und dunkelsten Gassen des anrüchigen Gängeviertels, das Gesindel aller Art in seinen lichtscheuen Spelunken beherbergte“, beschrieb der Brahms Biograph Max Kalbeck das Elternhaus des Komponisten.

Auch das Innere des Hauses war Max Kalbeck zufolge nicht gerade einem Schöner-Wohnen-Katalog entsprungen: „Zwischen zwei, bei Tage immer geöffneten Türen, die unmittelbar in das Innere des Erdgeschosses rechts und links gehen, stolpert man durch den Eingang über die ausgetretenen Stufen einer steilen, kaum einen Schritt breiten hühnersteigartigen Holztreppe zum ersten ,Sahl' hinauf und tritt durch eine niedrige Tür zur Linken in die Brahmssche Wohnung. Zuerst in die einfensterige Küche, die sich als solche dadurch ausweist, dass eine mit dem Schornstein durch ein Blechrohr verbundene Mauernische den Ort anzeigt, wo ein eiserner Ofen, nicht viel größer als ein Puppenherd, aufgestellt werden kann. Von dort gelangt man in das zweifensterige Wohnzimmer, das von der holperigen Diele bis zur rissigen Decke keine sieben Schuh misst. Daran stößt der Alkoven, die Schlafstube, welche sich den Anschein gibt, ein Fenster auf einen zweiten Hof zu besitzen. Hier, in dem winzigen, dumpfen und atembeklemmenden Kämmerchen mussten, falls der Vater nicht vorzog, im Wohnzimmer zu schlafen, seit dem 7. Mai 1833 vier arme Menschenkinder ihre Nächte zubringen."

©Sarah-Maria

Brahms in Hamburg
Schon früh in seiner Biographie versuchte Johannes Brahms immer wieder eine feste Anstellung in Hamburgs Musikleben zu bekommen - wurde aber mehrfach enttäuscht. 1861 war z.B. der Posten des musikalischen Leiters der Philharmonischen Konzerte zum Greifen nah, doch er wurde letztlich an seinen Freund und Kollegen Julius Stockhausen vergeben. „Die Kränkung Johannes‘ wird die Kunstgeschichte nicht vergessen“, schrieb Brahms Freund Joseph Joachim in einem Brief an das damalige Auswahl-Komitee. Davon offenbar unbeirrt vergaben jene einige Jahre später die Nachfolge Stockhausens nicht an Brahms, sondern an Julius von Bernuth. Nicht nur im Nachhinein eine Fehlentscheidung, wenn man bedenkt, wie berühmt Brahms schon zu Lebzeiten war. Sein Geburtshaus war längst zu einer Pilgerstätte für Musikliebhaber geworden - und blieb dies auch, bis das Haus im Zweiten Weltkrieg vollständig zerstört wurde.

Spät aber immerhin: 1889 erkannte der Hamburger Senat, dass sie irgendetwas in Sachen Brahms unternehmen mussten und verliehen ihm die Ehrenbürgerwürde. Der Komponist war für diese Würdigung zwar außerordentlich dankbar, lehnte aber, die ihm 1894 endlich angebotene, Nachfolge von Julis von Bernuth dennoch ab: „Es ist nicht Vieles, was ich mir so lange und lebhaft gewünscht hätte s. Zt. - d. h. aber zur rechten Zeit! Es hat auch lange gewährt, bis ich mich an den Gedanken gewöhnte, andere Wege gehen zu müssen. Wär's also nach meinem Wunsch gegangen, so feierte ich heute etwa ein Jubiläum bei Ihnen, Sie aber wären in dem gleichen Falle, wie eben heute, sich nach einer jüngeren tüchtigen Kraft umsehen zu müssen […] Ihr sehr und hochachtungsvoll ergebener J. Brahms."

Drei Jahre später starb er in Wien. Über das Hamburger Publikum fand er in einem, hier im Blog schon erwähnten, Brief an Gustav Mahler, der von 1892-1897 erster Kapellmeister des Hamburger Opernhauses war, übrigens keine sonderlich löblichen Worte: „Die Bremer sind unmusikalisch, aber die Hamburger antimusikalisch.“



P.S.: Übrigens: wer schon mal im Hamburger Alsterpavillion einen Kaffee getrunken hat, sollte bereuen, dass er dies nicht vor knapp 200 Jahren getan hat, denn damals war der Vater von Johannes Brahms dort Kontrabassist und das Alsterpavillion war damals eine Eisdiele - und zwar die erste in ganz Deutschland.

Quellen:
Bahnsen, U./Stürmer K.: Das Geburtshaus des verkannten Genies. In: Hamburger Abendblatt, 21.11.2003.
Borchardt, G.: Sehr unberühmt und sehr unaufgeführt - Gustav Mahlers Hamburger Jahre. http://www.gustav-mahler-vereinigung.de/1891-1897/body_1891-1897.html (abgerufen am 19. Juni 2011).