Samstag, 17. Dezember 2011

Schostakowitschs Lady

©Sarah-Maria
In Schostakowitschs Oper „Lady Macbeth von Mzensk“ findet sich im Zwischenspiel am Ende des ersten Aktes der erste en Détail auskomponierte Liebesakt in einer Oper wieder: nebst unverkennbarer Rhythmik wird der „Schluss“ recht lebensnah mit einem Posaunenglissando abwärts illustriert.

Die Uraufführung 1934 war ein Erfolg und wurde von Kritikern und Publikum gefeiert. Seitdem und bis zur Aufführung am 16. Januar 1936 im Moskauer Bolschojtheater war die Oper von den Spielplänen nicht mehr wegzudenken. Doch an eben jenem Abend saß Stalin seitlich über dem Orchestergraben in der Regierungsloge. Ebenfalls anwesend war Schostakowitsch Himself und bemängelte atmenlos und leicht blass um die Nase nach der Aufführung, die Stalin noch vor dem Schlussakkord verlassen hatte, dass vermutlich der hohe Staatsbesuch Schuld gewesen sei, dass das „Schaschliktemprament“ mit dem Dirigenten durchgegangen sei. Doch das wird vermutlich nicht der Grund gewesen sein für Stalins Ablehnung. 

Nun muss man wissen, dass Stalin damals eine schon leicht abgemilderte Fassung serviert wurde. Doch das half nix: zwei Tage später erschien in der Prawda ein Artikel mit dem Titel „Chaos statt Musik“ und verriss die Oper mit Beschreibungen, wie „linksradikale Zügellosigkeit“ oder „kleinbürgerliches Neuerertum“. Die Oper verschwand schlagartig von den Spielplänen und der Komponist komponierte nie wieder eine, sondern führte fortan nur noch linientreue Auftragsarbeiten aus.

Stalin dürfte sich nicht nur an dem Zwischenspiel gestört haben, sondern vor allem an der Titelheldin im Allgemeinen, denn trotz oder wegen ihrer Mordserie am tyrannischen Schwiegervater, Ehemann und ihrer Nebenbuhlerin sowie ihrem ausufernden Liebesleben mit finalen Freitod ist in Schostakowitschs Oper diese Lady durch Handlung und Musik absoluter Sympathieträger mit revolutionären Touch.

Denn, wenn auch nicht gerade linientreu, komponierte der damals 26jährige Schostakowitsch den Opernstoff in einer Zeit, in der die russische Jugend zum Thema sexuelle Freizügigkeit im Gegensatz zur propagierten züchtigen Fortpflanzung im Dienste der Sowjetgesellschaft heftig debattierte und ausprobierte. Zudem war Schostakowitsch selbst auch in einige Wirrungen mit seiner 1932 geheirateten Ehefrau Nina Warsar verstrickt, welcher er die Oper auch widmete.

1963 startete Schostakowitsch noch einen zweiten Anlauf, milderte den Text ab und strich die aufreizende Liebesakt-Musik. Womit die Oper fortan wieder gespielt werden drufte. Das Publikum liebte das Stück nach wie vor – was im Übrigen auch das Publikum diesseits des Eisernen Vorhangs tat: das Stück wurde vor allem in den 80er Jahren an so ziemlich jedem Staatstheater und Stadttheater in sich überschlagender und überschäumender Regie aufgeführt.

Übrigens erst 2004 wurde im Bolschojtheater erstmals wieder die unzensierte Fassung auf die Bühne gebracht. Die Originalpartitur konnte erst 1979, vier Jahre nach dem Tod des Komponisten, von Mstislaw Rostropowitsch der Öffentlichkeit übergeben werden.

"'Lady Macbeth' handelt auch davon, wie Liebe sein könnte, wenn nicht ringherum Schlechtigkeit herrschte. An diesen Schlechtigkeiten ringsum geht die Liebe zugrunde. An den Gesetzen, am Besitzdenken, an der Geldgier, an der Polizeimaschinerie. Wären die Verhältnisse anders, wäre auch die Liebe eine andere," schrieb Schostakowitsch über seine Oper.

Quellen:
Batta, A. (Hrsg.): Opera – Komponisten, Werke, Interpreten. Köln: Könemann Verlagsgesellschaft mbH, 1999. 
Schwarzer, S.: Zügellose Leidenschaft - Lady Macbeth von Mzensk in Wien. http://www.3sat.de/page/?source=/kulturzeit/tips/138915/index.html (abgerufen am 17. Dezember 2011).
Spahn, C.: Das Bett bleibt leer. http://www.zeit.de/2004/49/2xLadyMacbeth. (abgerufen am 17. Dezember 2011).
Lange, J..: Schattenspiele an der Wand. http://www.fr-online.de/theater/-lady-macbeth-von-mzensk--in-wien-schattenspiele-an-der-wand,1473346,2859834.html (abgerufen am 17. Dezember 2011).

1 Kommentar:

  1. Ich bewundere Deine Kenntnisse und Dein Wissen bezüglich Opern.
    LG
    Agnes

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