Donnerstag, 9. Dezember 2010

Mazeppa - Goethetheater Bremen

©Sarah-Maria
Hach, ich steh ja auf Tschaikowsky. Seine Musik ist zuckersüß in einer bitter, schweren Schale. Diese schöne Schwermut, die sich wie eine Schlingpflanze um einen legt und zudrückt, wenn man sich längst nicht mehr wehren kann, kenne ich eigentlich hauptsächlich von russischen Komponisten und sie macht definitiv süchtig! Klar also, dass ich mir das selten aufgeführte Tschaikowsky-Stück in Bremen ansehen musste!

Die Handlung in kurz: Alter Feldherr liebt junges Mädchen (Maria) und sie diesen ebenso. Sie verlässt Vater und Mutter, um mit ihm zusammen sein zu können. Vater will Rache und schwärzt Mazeppa gegenüber dem Zaren an. Der aber kann diesen überzeugen, dass es nur ein Täuschungsversuch war. Der Vater wird zum Tode verurteilt. Die Mutter bringt das Fräulein Tochter zur Vernunft – leider zu spät: der Vater wurde schon hingerichtet. Die Tochter wird wahnsinnig.

Leider war die Inszenierung (Tatjana Gürbaca) eine ganz, ganz schlimme Katastrophe. Ich meine, ich hab’s ja schon vorher hier und da vernommen -  aber wie sagt man so schön: die Hoffnung stirbt zuletzt. Und das tat sie dann auch! Allerdings nicht in einem sanft dahinschwebenden Tutu, sondern mit einem Vorschlaghammer - wobei ein Laubpuster angesichts des Bühnenbildes sicher sinnvoller gewesen wäre. Der Bühnenboden war nämlich voll mit Erde, die den Protagonisten immer wieder durch die Hände rann. Der berühmte Boden unter den Füßen halt. Mit diesem Bild hätte man ja noch was anfangen können, aber die Regie überschlug sich fortan förmlich vor Elementen – die aber schlussendlich genauso wahllos zusammengewürfelt wirken, wie eine Projektarbeit eines Deutsch-LK’s der mittels Brainstorming ein Konzept zusammengebastelt hat: Alles und nix!

Nun ja, so kommen zwangsläufig solch – zugegeben sehr effektvollen, aber sinnfreien – Szenen zustande, wie die Foltersequenz in der letztlich der Vater gezwungen wird seinen, mit einer Schweine-Maske gedemütigten, Freund mit Benzin zu übergießen und sich eine brennende Zigarette in den Mund zu stecken. In der nächsten Szene ist weder das Geheimnis verraten, der Freund in Flammen aufgegangen noch haben die Folterknechte einen moralischen Schub bekommen? Mhm?

Und die anschließende Hinrichtung findet via Suppe in einem Restaurant mit eigens abgesperrten Tisch statt….. Wenig später treffen dann eben dort Mazeppa und Marias Jugendfreund aufeinander: Die Musik, die Gemüter und die Stimmbänder sind in Wallungen – man erwartet so einiges, aber sicher nicht, dass die beiden sich erstmal setzen. Na ja, usw. usw. ….

Nichts desto trotz war’s ein toller Abend! Wie gesagt: Tschaikowsky. Auch wenn der Genuss durch die Regie und ein weiteres Phänomen, welches offenbar typisch für Bremen zu sein scheint, einen nicht zu unterschätzenden Kampf hinlegen musste: denn schon einige Male hatte ich das Vergnügen in unmittelbarere Nähe der Plätze direkt hinter dem Dirigenten zu sitzen und jedes Mal waren die Besetzer dieser Sitznummern extreme Störenfriede. Letztesmal waren es zwei Männer, die sich zunächst ihre tödliche Langeweile permanent mittgeteilt haben, bis sie mittendrin einfach rausgegangen sind, um wenige Minuten später (nur zum Teil) wieder reinzukommen. Heute war es ein Pärchen, welches wirklich alles und jeden ersteinmal ausgiebig diskutieren musste. Da halfen weder „psst“ von diversen Sitznachbarn, noch etliche böse Blicke – da half letztlich nur eins: umsetzten.

Gesanglich hatte ich mich besonders auf Nadine Lehner gefreut, die mich in Bremen schon oft begeistert hat. Und sie hat wie gewohnt eine sehr bewegende Partie hingelegt, auch wenn sie mitunter ein wenig überfordert mit der Rolle war. Ihr Ehemann Mazeppa (Jacek Strauch) war in meinen Augen der Star des Abends! Genial gesungen, genial gespielt und zudem auch noch Kinder-Statisten vor einer echten Panne im Ablauf gerettet! Die Mutter hat Tamara Klivadenko gesungen, die zudem sehr überzeugend gespielt hat. Der Vater (Loren Lang) und Marias Jugendfreund Andrej (Michael Baba) haben ihre Sache echt unglaublich gut gemacht – auch wenn die nicht immer einfachen Partien sie z.T. an ihre stimmlichen Grenzen gebracht hat.

P.S.: falls mir wer eine gute Aufnahme empfehlen kann – ich suche schon länger danach und wäre wirklich dankbar für Tipps!


5 Kommentare:

  1. Eine gute Aufnahme... hm, das scheint gar nicht so einfach zu sein. Es gibt welche, aber es gibt halt immer auch mindestens einen "Schwachpunkt".

    Wobei man sich natürlich fragt, gibt es das überhaupt: eine perfekte Aufnahme?

    Aber warum nur hören und nicht auch sehen?
    Aus der MET gibt es nämlich eine Mazeppa auf DVD, Gergiev dirgiert - und soweit ich weiß, sind die Sänger aus dem Ensemble des Marijnski-Theaters.

    Von Gergiev gibt es auch eine CD, da schwanken allerdings die Kenner, ob man nicht lieber der Aufnahme unter Neeme Järvi den Vorzug gibt.

    Ich kenne leider beide nicht, kann also nur weitergeben, was ich so gehört habe.
    Viel Spaß beim Aussuchen!

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  2. Hallo Taxus, lieben Dank für die Tipps! :) Die DVD hört sich wirklich gut an. Bin gespannt auf den Schwachpunkt - aber irgendwas ist ja immer ....;)

    Im Moment besteht der Schwachpunkt allerdings vor allem darin diese zu finden. Mit Gergeiev finde ich nur diese hier: http://www.amazon.de/Tschaikowsky-Peter-Mazeppa-Larissa-Dyadkova/dp/B0001AEU5K/ref=sr_1_1?ie=UTF8&qid=1291984776&sr=1-1

    Die ist von 1996 aus dem Marijnski-Theater. Auch wenn in der Amazon-Produktbeschreibung noch Kirov Theater steht. Es wurde doch schon 1992 wieder umbenannt? ..... ;)))))

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  3. Also, ich bin ganz begeistert hiervon:

    http://www.jpc.de/jpcng/classic/detail/-/art/Peter-Iljitsch-Tschaikowsky-Mazeppa/hnum/5582581

    Ist das Motiv des wallpapers übrigens die Decke vom Großen Haus in MS?

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  4. Warum Kirov und nicht Marijnski - das kann ich dir leider nicht sagen.
    Aber du hast recht, ich hab da was durcheinandergeworfen :(

    Ja, ich meinte diese DVD, die ich nur kannte im Zusammenhang mit Berichten über Mazeppa an der Met, deshalb war ich im Glauben, die sei dort entstanden.

    Ist sie aber nicht. Das Kirov-Theater hat 1998 mit dieser Produktion an der Met ein Gastspiel gegeben, aber da entstand nicht diese DVD, die gab es offenbar längst.

    Sorry für dieses kleine Durcheinander!

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  5. @ Anonym: Lieben Dank für den Link! Super, dass man da auch direkt reinhören kann.... :) Und ja, das sind die Lampen an der Decke des Theaters Münster. Das Haus an sich ist ja nicht sooooo hübsch, aber die Lampen sind echt ein Knüller.

    @ Taxus: Rätsel gelöst! :) Dann kann's ja jetzt losgehen mit dem DVD-Abend.....

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