Montag, 6. Dezember 2010

Die Oper, die eine Revolution auslöste

©Sarah-Maria
Schon gewusst, dass die Aufführung der Oper „La Muette de Portici“ am 25. August 1830 in Brüssel einen Volksaufstand auslöste, der schlussendlich zur Unabhängigkeit Belgiens führte?

So hatte sich der niederländische König Wilhelm I. seinen Geburtstag sicher nicht vorgestellt, als er das Brüsseler Theater betrat, welches ihm zu Ehren die Oper „La Muette de Portici“ (Die Stumme von Portici) von Daniel-François-Esprit Auber aufführte. Aber die derzeit sowieso nicht gerade zufriedene belgische Minderheit war offensichtlich nicht in Feierlaune und nach dem Duett „Amour sacré de la patrie“ (Die heilige Liebe zum Vaterland), welches textlich an die französische Nationalhymne angelehnt ist, erst recht auf Krawall gebürstet. Das Fass zum Überlaufen haben schlussendlich folgende Textzeilen des Fischers Masaniello im 3. Akt gebracht: „Laufet zur Rache! Die Waffen, das Feuer! Auf daß unsere Wachsamkeit unserem Leid ein Ende bereite!“ Die Zuschauer nahmen das Libretto beim Wort und verließen mit dem Ruf: „Zu den Waffen“ das Opernhaus. Schnell entwickelte sich der Aufstand zu einer waschechten Revolution.

Man könnte nun anmerken, wieso zum Teufel wird in einer politisch eher instabilen Lage ausgerechnet eine Oper mit solch brisanten Textzeilen gespielt – und das auch noch als i-Tüpfelchen in Brüssel?! Dem ist zu entgegnen, dass die Oper zwar von dem neapolitanischen Fischeraufstand (1647) gegen die spanische Besatzungsmacht handelt, jedoch an und für sich eine eher antirevolutionäre Haltung verkörpert. Am Ende des Stücks wendet sich sogar die Natur in Form eines Vesuvausbruches gegen die aufständigen Fischer. Ganz offenkundig hielt die gegenteilig intendierte Aussage das Publikum dennoch nicht im geringsten davon ab, sich mit dem stummen Fischermädchen zu identifizieren, welches in ihren Augen die unterdrückte Stimme der Massen verkörperte. Goethe erklärte dies nachträglich damit, dass „jeder in die leer gelassene [motivatorische] Stelle das hineintrage, was ihm selber in seinem Land nicht behage“.

Ein weiterer Grund für die Aufführung eben jenes Werkes anlässlich des Königs-Geburtstages dürfte gewesen sein, dass es, wenn auch heute fast vergessen, damals äußerst beliebt war und in etlichen Häusern rauf und runter gedudelt wurde. Schon 12 Jahre nach der Uraufführung (1828) konnte das Werk seine 100. Aufführung allein an der Pariser Oper feiern! „La Muette de Portici“ gilt heute als erste Oper in der typischen Fassung der französischen Grand Opéra. Sie ist komplett durchkomponiert und erinnert musikalisch ein wenig an Rossini – der mit Aubert bekannt gewesen war. Das Stück war zudem auch deswegen ein Kassenschlager, weil es mit großen Chorszenen und bombastischen Bühnenbildern das Publikum mitgerissen und gefesselt hat. Dies hat sogar Richard Wagner beeindruckt, der sich bekanntermaßen oftmals nicht gerade schmeichelnd über seine französischen sowie italienischen Kollegen geäußert hat. Er bekannte, dass in dieser Oper der Chor „fast zum allerersten Male als wirklich handelnde, uns ernstlich interessierende Masse“ involviert wurde und schrieb 1871 in seinen „Erinnerungen an Auber“: La Muette de Portici „ward als der offenbare theatralische Vorläufer der Juli-Revolution erkannt, und selten stand eine künstlerische Erscheinung mit einem Weltereignisse in einer genaueren Beziehung.“ Wagner hat die Oper in Magdeburg schließlich sogar selbst dirigiert.

P.S.: Übrigens das stumme Fischermädchen Fenella bleibt während der kompletten Oper tatsächlich stumm und singt keine einzige Note….

Quellen:
Deutschlandradio Kultur: Oper als Revolutionsauslöser. http://www.dradio.de/dkultur/sendungen/konzert/1453651/ (abgerufen am 04. Juni 2011).
Batta, A. (Hrsg.): Opera – Komponisten, Werke, Interpreten. Köln: Könemann Verlagsgesellschaft mbH, 1999.

1 Kommentar:

  1. Übrigens hat Reinhard Keiser den Stoff 1706 als "Masaniello Furioso oder die neapolitanische Fischer-Empörung" ebenfalls vertont.

    Muss ich mir endlich mal anhören. Schon allein der Titel bringt mein Blut in Wallung. :)

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