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©Sarah-Maria |
Hach, ich steh ja auf Tschaikowsky. Seine Musik ist zuckersüß in einer bitter, schweren Schale. Diese schöne Schwermut, die sich wie eine Schlingpflanze um einen legt und zudrückt, wenn man sich längst nicht mehr wehren kann, kenne ich eigentlich hauptsächlich von russischen Komponisten und sie macht definitiv süchtig! Klar also, dass ich mir das selten aufgeführte Tschaikowsky-Stück in Bremen ansehen musste!
Die Handlung in kurz: Alter Feldherr liebt junges Mädchen (Maria) und sie diesen ebenso. Sie verlässt Vater und Mutter, um mit ihm zusammen sein zu können. Vater will Rache und schwärzt Mazeppa gegenüber dem Zaren an. Der aber kann diesen überzeugen, dass es nur ein Täuschungsversuch war. Der Vater wird zum Tode verurteilt. Die Mutter bringt das Fräulein Tochter zur Vernunft – leider zu spät: der Vater wurde schon hingerichtet. Die Tochter wird wahnsinnig.
Leider war die Inszenierung (Tatjana Gürbaca) eine ganz, ganz schlimme Katastrophe. Ich meine, ich hab’s ja schon vorher hier und da vernommen - aber wie sagt man so schön: die Hoffnung stirbt zuletzt. Und das tat sie dann auch! Allerdings nicht in einem sanft dahinschwebenden Tutu, sondern mit einem Vorschlaghammer - wobei ein Laubpuster angesichts des Bühnenbildes sicher sinnvoller gewesen wäre. Der Bühnenboden war nämlich voll mit Erde, die den Protagonisten immer wieder durch die Hände rann. Der berühmte Boden unter den Füßen halt. Mit diesem Bild hätte man ja noch was anfangen können, aber die Regie überschlug sich fortan förmlich vor Elementen – die aber schlussendlich genauso wahllos zusammengewürfelt wirken, wie eine Projektarbeit eines Deutsch-LK’s der mittels Brainstorming ein Konzept zusammengebastelt hat: Alles und nix!
Nun ja, so kommen zwangsläufig solch – zugegeben sehr effektvollen, aber sinnfreien – Szenen zustande, wie die Foltersequenz in der letztlich der Vater gezwungen wird seinen, mit einer Schweine-Maske gedemütigten, Freund mit Benzin zu übergießen und sich eine brennende Zigarette in den Mund zu stecken. In der nächsten Szene ist weder das Geheimnis verraten, der Freund in Flammen aufgegangen noch haben die Folterknechte einen moralischen Schub bekommen? Mhm?
Und die anschließende Hinrichtung findet via Suppe in einem Restaurant mit eigens abgesperrten Tisch statt….. Wenig später treffen dann eben dort Mazeppa und Marias Jugendfreund aufeinander: Die Musik, die Gemüter und die Stimmbänder sind in Wallungen – man erwartet so einiges, aber sicher nicht, dass die beiden sich erstmal setzen. Na ja, usw. usw. ….
Nichts desto trotz war’s ein toller Abend! Wie gesagt: Tschaikowsky. Auch wenn der Genuss durch die Regie und ein weiteres Phänomen, welches offenbar typisch für Bremen zu sein scheint, einen nicht zu unterschätzenden Kampf hinlegen musste: denn schon einige Male hatte ich das Vergnügen in unmittelbarere Nähe der Plätze direkt hinter dem Dirigenten zu sitzen und jedes Mal waren die Besetzer dieser Sitznummern extreme Störenfriede. Letztesmal waren es zwei Männer, die sich zunächst ihre tödliche Langeweile permanent mittgeteilt haben, bis sie mittendrin einfach rausgegangen sind, um wenige Minuten später (nur zum Teil) wieder reinzukommen. Heute war es ein Pärchen, welches wirklich alles und jeden ersteinmal ausgiebig diskutieren musste. Da halfen weder „psst“ von diversen Sitznachbarn, noch etliche böse Blicke – da half letztlich nur eins: umsetzten.
Gesanglich hatte ich mich besonders auf Nadine Lehner gefreut, die mich in Bremen schon oft begeistert hat. Und sie hat wie gewohnt eine sehr bewegende Partie hingelegt, auch wenn sie mitunter ein wenig überfordert mit der Rolle war. Ihr Ehemann Mazeppa (Jacek Strauch) war in meinen Augen der Star des Abends! Genial gesungen, genial gespielt und zudem auch noch Kinder-Statisten vor einer echten Panne im Ablauf gerettet! Die Mutter hat Tamara Klivadenko gesungen, die zudem sehr überzeugend gespielt hat. Der Vater (Loren Lang) und Marias Jugendfreund Andrej (Michael Baba) haben ihre Sache echt unglaublich gut gemacht – auch wenn die nicht immer einfachen Partien sie z.T. an ihre stimmlichen Grenzen gebracht hat.
P.S.: falls mir wer eine gute Aufnahme empfehlen kann – ich suche schon länger danach und wäre wirklich dankbar für Tipps!