Dienstag, 13. November 2012

Madama Butterfly - Staatsoper Hannover

Mea culpa. Wer Sonntagnachmittag in eine Butterfly geht, ist selbst schuld. Sämtliche Reisebusse des Universums waren in Hannover. – und ich halt. Es scharrte, raschelte, hustete, nieste, schnäuzte, knisterte, schepperte und flüsterte – oder eben auch nicht – aus allen Reihen, Rängen, Ecken und Winkeln. Ein geschäftiges Treiben. Nach ziemlich genau 10 Minuten ging das erste Handy los. Kurz darauf wurden etwa zehn Zuspätkommer ins Parkett gelassen. Und irgendwo in meiner Nähe saß jemand, der stetig mit einem Fuß auf den Boden klopfte. Nicht rhythmisch zur Musik, sondern kontinuierlich, als eine Art Daseinsbestätigung seinerseits. Gegen Ende des ersten Aktes hatten sich dann aber immerhin alle Umsitzenden, leider nicht nur mit Hilfe von Gesten („Ach, guck an! Was es alles gibt!“), soweit verständigt, dass allen die Projektionsfläche für den Text über der Bühne bekannt war. Dies wiederrum führte dazu, dass die ständigen Gefühlsbekundungen zur Handlung proportional mit voranschreitender Zeit zunahmen. Und jetzt gerade frage ich mich, warum ich mir überhaupt die Mühe mache, selbst einen Bericht zu schreiben. Ich hätte einfach in meinem Handy die Aufnahmefunktion auf on klicken sollen – und zack – hätten wir gleich die Meinung von Vieren – ach, was sag‘ ich, es gab mindestens sechs in meiner näheren Umgebung mit einer regen mündlichen Beteiligung. Tja. Chance vertan. Wobei ich auch nicht sicher bin, ob die Aufnahmequalität ausgereicht hätte, um die Wortmeldungen angesichts des Dauerhusters hinter mir exakt zu entschlüsseln. Und ich sag’s euch: Wenn man  beginnt sich nur noch an die leise Hoffnung zu klammern, dass in Bezug auf eben jenem hinter einem, anschließendes einmaliges Haare waschen ausreicht, dann weiß man, was Resignation ist.... Was der über den Nachmittag erst leise röchelnd nach oben gewürgtschoben hat, hatte sich im zweiten Akt irgendwie irgendwo festgesetzt und er grunzte kontinuierlich durch „Es“ hindurch. Begleitet wurde das Drama von diversen herzhaften Schnäuz- und Hustattacken, die sich im dritten Akt für ihn auszahlten: Denn da begann es sich dann zu lösen. Ob es sich dabei um etwas akutes oder chronisches handelte, ist schwer zu sagen. Ich tendiere in meiner Diagnose aber zu chronisch, denn bei jedem Huster konnte ich in meiner Nase eine deutliche Teernote verzeichnen.

Angesichts dessen, war es nicht nur nicht leicht sich auf die Oper einzulassen, sondern in weiten Teilen schlicht unmöglich. Generell bleibt jedoch festzuhalten, dass die Hannoveraner Butterfly nach einem Konzept von Peter Brenner aus dem Jahre 1980 (Szenische Neueinstudierung: Charles Ebert, Bühne und Kostüme: Ottowerner Meyer) der Ex-Hamburger Butterfly von Ulrich Wenk sehr ähnelt: Es gab Kimonos, Paravents, umhertanzende Kirschblüten und ein Kind in Matrosenuniform. Es war eine Butterfly ganz genauso, wie man sie sich vorstellt. Das Bühnenbild war sehr ästhetisch. Alles handwerklich gut. Und eine solide Personenregie fehlte ebenfalls nicht. Es war schön kitschig – ohne albern zu sein. Gut, bis auf die Stelle mit dem Vogelgezwitscher, welches in das Vorspiel zum dritten Akt gemischt wurde. Klang nach Tweety auf Koks. – und an dieser Stelle hab ich mir nen ordentlichen Klingelton als Echo aus dem Publikum gewünscht - aber, wie gesagt, das war ne absolute Nullnummer. Leider. 

Generell dürfte die Inszenierung aber genau das beinhalten, was vielen wirklich gut gefällt. Meins ist es, um ehrlich zu sein, jedoch nicht unbedingt, denn ich mag es generell lieber ein wenig regietheaterlastiger. Und wenn schon Schmelz, dann hätte ich mir zum Schluss zumindest einen roten Farbbeutel unter Cio-Cio-Sans Kimono gewünscht. Dass der Paravent in rot ausgeleuchtet wurde, reichte mir irgendwie nicht an Dramatik, zumal es in Anbetracht des weißen Gewandes einen schönen Farbkontrast abgegeben hätte.

Die Besetzung war durchweg gut: Brigitte Hahn sang eine hochemotionale Madama Butterfly und konnte ganz besonders im Finale überzeugen – auch wenn ihrem Sopran mitunter etwas an Leichtigkeit und Flexibilität für eine Butterfly fehlte; - was bei ihrem Repertoire nicht wirklich verwunderte: Schließlich singt sie sonst Rollen wie die Brünnhilde oder Ariadne. Die Verwunderung war daher eher andersgepolt: Es hat mich wirklich erstaunt, wie überzeugend sie letztendlich die 15jährige Cio-Cio-San sang und auch spielte.

Ihre Dienerin Suzuki wurde von Khatuna Mikaberidze dermaßen gut gesungen, dass sie für mich zu den absoluten Highlights der Aufführung gehörte. Sie hat, wie ich schon im Hannoveraner Tannhäuser festgestellt habe, einen sehr klangschönen und ausdifferenzierten Mezzosopran. Latchezar Pravtchev brachte einen soliden und höhensicheren Pinkerton auf die Bühne. Insgesamt sah man sich mit Corinna Jeske (Kate Pinkterton), Brian Davis (Sharpless), Ivan Tursic (Goro) und Edgar Schäfer (Fürst Yamadori) einem guten Sängerensemble gegenüber. Die musikalische Leitung hatte Mark Rohde inne. Sein Dirigat war durchaus gut, wenngleich es für meinen Geschmack mitunter ein wenig zu blech- und paukenlastig war. Es klang passagenweise ein bisschen zu undifferenziert und laut.

3 Kommentare:

  1. In wenigen Wochen beginnt die Husten- und Schnupfensaison. Dann ist noch eine Steigerung drin. Ach - was haben wir gelitten...

    Bei allem Verständnis für Operbegeisterte. Warum kann Mann/Frau denn nicht einfach zu Hause bleiben, wenn er sich erkältet hat? Womöglich reut der bereits bezahlte Kartenpreis? Mein Vorschlag an die Theaterchefe's: Bietet den Leuten im Winter an, die Karten bei einer Erkältung zurückzunehmen.

    Gegen Reisebus-Gesellschaften hilft allerdings nur eine Vorstellung abseits der problematischen Zeiten. Insoweit war dein Verhalten höchst fahrlässig ;-)

    lg Mathias

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  2. Oh Gott!!!
    Ich schrieb ja auch schon mal über die von mir genannten "Bustouristen der Oper"!
    Wenn ich in Münster Busse (viele) vor dem Theater stehen sehe, gehe ich schon fast genervt rein.
    Und immer ist es unruhig und halt so wie von Dir beschrieben.
    Bei Butterfly wundert mich das eigentlich, weil die Oper nicht so die allgemeinen Bustouristen anspricht, bei uns sind die vermehrt in der Operette zu finden, dann haben die Hochsaison.
    Hat mein großes Mitgefühl, dass man Dir die Oper so "versaut" hat.
    LG
    Agnes

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  3. Die Butterfly in Hannover ist leider oft etwas problematisch. Schöne Inszenierung aber entweder Rummel wie bei Dir, oder festlicher Opernabend..wie juengst. Dann gesanglich gut besetzt mit einem Tenor der mithalten kann...aber viele freie Plaetze ob der sehr sportlichen Preise. Schade eigentlich. J.

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