
Mea culpa. Wer Sonntagnachmittag in eine Butterfly geht,
ist selbst schuld. Sämtliche Reisebusse des Universums waren in Hannover. – und
ich halt. Es scharrte, raschelte, hustete, nieste, schnäuzte, knisterte,
schepperte und flüsterte – oder eben auch nicht – aus allen Reihen, Rängen, Ecken
und Winkeln. Ein geschäftiges Treiben. Nach ziemlich genau 10 Minuten ging das
erste Handy los. Kurz darauf wurden etwa zehn Zuspätkommer ins Parkett
gelassen. Und irgendwo in meiner Nähe saß jemand, der stetig mit einem Fuß auf
den Boden klopfte. Nicht rhythmisch zur Musik, sondern kontinuierlich, als eine
Art Daseinsbestätigung seinerseits. Gegen Ende des ersten Aktes hatten sich
dann aber immerhin alle Umsitzenden, leider nicht nur mit Hilfe von Gesten
(„Ach, guck an! Was es alles gibt!“), soweit verständigt, dass allen die
Projektionsfläche für den Text über der Bühne bekannt war. Dies wiederrum
führte dazu, dass die ständigen Gefühlsbekundungen zur Handlung proportional
mit voranschreitender Zeit zunahmen. Und jetzt gerade frage ich mich, warum ich
mir überhaupt die Mühe mache, selbst einen Bericht zu schreiben. Ich hätte
einfach in meinem Handy die Aufnahmefunktion auf on klicken sollen – und zack –
hätten wir gleich die Meinung von Vieren – ach, was sag‘ ich, es gab mindestens
sechs in meiner näheren Umgebung mit einer regen mündlichen Beteiligung. Tja.
Chance vertan. Wobei ich auch nicht sicher bin, ob die Aufnahmequalität
ausgereicht hätte, um die Wortmeldungen angesichts des Dauerhusters hinter mir
exakt zu entschlüsseln. Und ich sag’s euch: Wenn man beginnt sich nur noch an die leise Hoffnung
zu klammern, dass in Bezug auf eben jenem hinter einem, anschließendes
einmaliges Haare waschen ausreicht, dann weiß man, was Resignation ist.... Was
der über den Nachmittag erst leise röchelnd nach oben gewürgtschoben hat, hatte
sich im zweiten Akt irgendwie irgendwo festgesetzt und er grunzte
kontinuierlich durch „Es“ hindurch. Begleitet wurde das Drama von diversen
herzhaften Schnäuz- und Hustattacken, die sich im dritten Akt für ihn
auszahlten: Denn da begann es sich dann zu lösen. Ob es sich dabei um etwas
akutes oder chronisches handelte, ist schwer zu sagen. Ich tendiere in meiner
Diagnose aber zu chronisch, denn bei jedem Huster konnte ich in meiner Nase
eine deutliche Teernote verzeichnen.
Angesichts dessen, war es nicht nur nicht leicht sich auf
die Oper einzulassen, sondern in weiten Teilen schlicht unmöglich. Generell
bleibt jedoch festzuhalten, dass die Hannoveraner Butterfly nach einem Konzept
von Peter Brenner aus dem Jahre 1980 (Szenische Neueinstudierung: Charles
Ebert, Bühne und Kostüme: Ottowerner Meyer) der Ex-Hamburger Butterfly von
Ulrich Wenk sehr ähnelt: Es gab Kimonos, Paravents, umhertanzende Kirschblüten
und ein Kind in Matrosenuniform. Es war eine Butterfly ganz genauso, wie man sie
sich vorstellt. Das Bühnenbild war sehr ästhetisch. Alles handwerklich gut. Und
eine solide Personenregie fehlte ebenfalls nicht. Es war schön kitschig – ohne
albern zu sein. Gut, bis auf die Stelle mit dem Vogelgezwitscher, welches in
das Vorspiel zum dritten Akt gemischt wurde. Klang nach Tweety auf Koks. – und
an dieser Stelle hab ich mir nen ordentlichen Klingelton als Echo aus dem
Publikum gewünscht - aber, wie gesagt, das war ne absolute Nullnummer.
Leider.
Generell dürfte die Inszenierung aber genau das
beinhalten, was vielen wirklich gut gefällt. Meins ist es, um ehrlich zu sein,
jedoch nicht unbedingt, denn ich mag es generell lieber ein wenig
regietheaterlastiger. Und wenn schon Schmelz, dann hätte ich mir zum Schluss
zumindest einen roten Farbbeutel unter Cio-Cio-Sans Kimono gewünscht. Dass der
Paravent in rot ausgeleuchtet wurde, reichte mir irgendwie nicht an Dramatik,
zumal es in Anbetracht des weißen Gewandes einen schönen Farbkontrast abgegeben
hätte.
Die Besetzung war durchweg gut: Brigitte Hahn sang eine
hochemotionale Madama Butterfly und konnte ganz besonders im Finale überzeugen
– auch wenn ihrem Sopran mitunter etwas an Leichtigkeit und Flexibilität für
eine Butterfly fehlte; - was bei ihrem Repertoire nicht wirklich verwunderte:
Schließlich singt sie sonst Rollen wie die Brünnhilde oder Ariadne. Die
Verwunderung war daher eher andersgepolt: Es hat mich wirklich erstaunt, wie
überzeugend sie letztendlich die 15jährige Cio-Cio-San sang und auch spielte.
Ihre Dienerin Suzuki wurde von Khatuna Mikaberidze
dermaßen gut gesungen, dass sie für mich zu den absoluten Highlights der
Aufführung gehörte. Sie hat, wie ich schon im Hannoveraner Tannhäuser
festgestellt habe, einen sehr klangschönen und ausdifferenzierten Mezzosopran.
Latchezar Pravtchev brachte einen soliden und höhensicheren Pinkerton auf die
Bühne. Insgesamt sah man sich mit Corinna Jeske (Kate Pinkterton), Brian
Davis (Sharpless), Ivan Tursic (Goro) und Edgar Schäfer (Fürst Yamadori) einem
guten Sängerensemble gegenüber. Die musikalische Leitung hatte Mark Rohde inne.
Sein Dirigat war durchaus gut, wenngleich es für meinen Geschmack mitunter ein
wenig zu blech- und paukenlastig war. Es klang passagenweise ein bisschen zu
undifferenziert und laut.