Sonntag, 10. April 2011

Casanova, Da Ponte und Mozart

©Sarah-Maria
Wolfgang Amadeus Mozart (1756 – 1791) komponierte seine Opern in einer Zeit, in der Liebe und Ehe in den seltensten Fällen zusammengehörten. Eheschließungen wurden vom gesllschaftlichen Stand und den Eltern bestimmt. Zudem fand ein Familienleben zwecks oder mit Kindererziehung in den adeligen Kreisen kaum statt: die gemeinsamen Kinder wurden in der Regel extern erzogen und nicht einmal von der Mutter gestillt. Mit der Ehe als Liebe auf dem Papier, waren Liebschaften bei Hofe meist nicht einmal ein offenes Geheimnis, sondern einfach nur offen – ohne Geheimnis. Sinnlichkeit wurde mehr oder weniger öffentlich in zahlreichen Affären, symbolhafter und nicht zuletzt auch dekadenter Kunst ausgelebt. Wie z.B. in der Malerei, Musik oder auch Architektur und Gartenkunst: muschelförmige Ornamente (Rocaille) mit zugleich offenkundig wie assoziativ sexueller Bedeutung war eines der wichtigsten Stilmittel im Rokoko.

Mozart selbst war auch kein Kind von Traurigkeit und pflegte z.B. mit so ziemlich jeder seiner Klavierschülerinnen eine Liebschaft. Seine Frau Konstanze stand ihm da in nix nach und lebte sogar zeitweise mit dem Schüler und Vertrauten ihres Mannes Franz Xaver Süßmayr gemeinsam in Baden – was zur Folge hatte, dass der Vater des letzten Mozart-Sohnes – der bezeichnenderweise auf den Namen Franz-Xaver hörte – niemals eindeutig festgestellt werden konnte.

Doch nicht nur im Mozart’schen Eheleben ging es freizügig zu: kein geringerer als Giacomo Casanova machte zusammen mit Mozarts späteren Librettisten Lorenzo Da Ponte Europa und dessen Schlafzimmer unsicher. Da Ponte, knapp 25 Jahre jünger als Casanova und sieben Jahre älter als Mozart, wurde in ärmlichen Verhältnissen geboren, arbeitete sich jedoch bis zum Texter des kaiserlichen Hofes hoch – und war dennoch in ständiger Geldnot.

©Sarah-Maria
Doch auch wenn die literarischen Werke Casanovas und Da Pontes vor allem von ihren Liebesabenteuern handeln, greift eine Reduzierung darauf viel zu kurz: denn genau wie Mozart hatten sie einen scharfen Blick für gesellschaftliche Verhältnisse und Verstrickungen. Ihre Texte lassen auf eine im Geiste der Aufklärung gesellschaftskritische Gesinnung schließen. Bezeichnend dafür flog Da Ponte noch während seiner Ausbildungszeit wegen Verbreitung der philosophischen Ideen Rousseaus nicht nur aus einem Priesterseminar, sondern wurde komplett aus Venedig verbannt. Casanova erging es in Venedig noch schlechter: er wurde der wohl bekannteste Insasse bzw. Flüchtling der berüchtigten Bleikammern im Dogenpalast. Nach seiner Flucht lebte er sein Leben in gewohnter Weise weiter und starb am 4. Juni 1798 im Alter von 73 Jahren hier auf Schloss Duchcov.

Da Ponte führte sein Weg über Dresden nach Wien. Dort schrieb er u.a. für die beiden Hofkomponisten Salieri und Mozart Libretti. Ein Jahr nach Mozarts Tod wanderte er, hoch verschuldet und aus Wien verbannt, nach New York aus. Dort betrieb er zunächst eine italienische Buchhandlung, wurde schließlich zum Honorarprofessor an der Columbia University ernannt, gründete dort die Fakultät für italienische Sprache und Literatur, schrieb mit „Erinnerungen“ seine Autobiographie, war Initiator des ersten New Yorker Opernhauses und starb 1838 arm, fast 90jährig, in bester geistiger Verfassung und mit einer unglaublich reichen Biographie.

Begleitet von diversen Streitigkeiten zwischen Librettist und Komponist hatte Da Ponte die Libretti zu einigen der berühmtesten Mozartopern überhaupt verfasst: Die Hochzeit des Figaros (1786), Don Giovanni (1787) und Cosi fan Tutte (1790) – alle drei nicht gerade eine Ode an die Treue:

Die Hochzeit des Figaros knüpft an das Schauspiel „Le Barbier de Séville“ (Beaumarchais) und späteren Rossini-Oper an: im Schauspiel jagt der Graf Almaviva der hübschen Rosina hinterher und kann sie schließlich zu seiner Gräfin machen. Doch im Hafen der Ehe angelangt (an dem Punkt beginnt die Mozart Oper), kann er die Finger nicht von Anderen lassen und beklagt, dass er sich dazu hinreißen lassen hat „das Recht der ersten Nacht“ aufzugeben. Er ist nämlich aktuell scharf auf die bald heiratende Susanna. Sie wiederrum will den Figaro ehelichen – den aber auch Marcellina gerne hätte. Jene stellt sich im Verlauf der Handlung als seine Mutter heraus und scheidet somit als Konkurrentin aus. Die Gräfin ihrerseits pflegt ein mehr oder weniger passives Verhältnis zu dem Pagen Cherubino und am Ende singen sie alle gemeinsam im Chor: „Uns beglückt der Liebe Hand! Lacht und singet, scherzt und springet! Ewig sei der Gram verbannt!“

Don Giovanni ist eine Oper über den Don Juan Mythos – könnte aber genauso gut das Leben von Casanova bzw. Da Ponte darstellen: denn der gute Don sammelt nicht nur Liebschaften, sondern lässt sie von seinem Diener auch schriftlich festhalten und gerät schließlich in einen Konflikt mit einer Statue, die irgendwas im Dunstkreis eines Vaters, Gewissens, Gesetzes, Über-Ichs oder Moral darstellt.

©Sarah-Maria
In der Oper Cosi fan Tutte werden Da Ponte und Mozart schließlich noch direkter und lassen die Liebesschwüre zweier Liebespaare kläglich scheitern: am Ende des munteren Partnertausches sind alle erneut überglücklich verknallt – und es kann von vorne losgehen…..

Spätere Koryphäen der Musikwelt wie etwa Beethoven reagierten angesichts Da Pontes Libretti durchaus abwertend und betitelten sie als frivol, unsittlich oder banal. Auch das war einer der Gründe, warum z.B. die Oper Cosi fan Tutte lange Zeit von den Bühnen der Opernhäuser verschwand.

Quellen:
Raderer, F.C./Wehmeiner, R.: Fortissimo – Musiker-Anekdoten: Stuttgart: Reclam, 2009.
Batta, A. (Hrsg.): Opera – Komponisten, Werke, Interpreten. Köln: Könemann Verlagsgesellschaft mbH, 1999.
Der Brockhaus: Oper. Gütersloh: Brockhaus in der Wissenmedia, 2002.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Ich freue mich immer über Kommentare, Kritik, Empfehlungen, Meinungen, Diskussionen, ... - also hau' in die Tasten! :D

Und kleiner Tipp falls du nicht bei blogger, etc. angemeldet bist: einfach den Kommentar eintippen und dann die Funktion „Name/URL“. anklicken. Dann den Namen bzw. Nickname eingeben und abschicken. Eine Webadresse kann, muss aber nicht angeben werden. Denn es lässt sich angenehmer diskutieren, wenn maximal eine Person "Anonym" ist..... ;)

P.S.: ....und hier wird gnadenlos geduzt :D