Ein
Hirn ist schon was tolles! – besonders dann, wenn’s funktioniert…. Meins hatte
gestern leider einen dicken Aussetzer, so dass ich eine Stunde später als
geplant mit dem Zug gen Hamburg gefahren bin. Dieser kam exakt 17 Minuten vor
Vorstellungbeginn am Hauptbahnhof an und ich musste mich strategisch passgenau
am Zugausgang positionieren, damit ich noch die nächste U-Bahn erwischen konnte.
Aber es hat alles geklappt und ich bin noch knapp vor’m Schließen der Türen in
den Zuschauerraum gerauscht. :D
Zum
Glück – wie ich im Nachhinein sagen muss! Denn den ersten Aufzug zu verpassen
ist zwar immer tragisch, aber in diesem Fall wäre es sogar dramatisch tragisch
gewesen, denn der Siegmund, Simon O’Neill, hat dermaßen gut gesungen, dass es
mir auch noch den letzten Rest meines Hirns weggepustet hat. Die Töne kamen ganz
sicher und offensichtlich aus jeder Faser seines Körpers und haben viel mehr
transportiert als den reinen Klang. Ich war und bin ernsthaft begeistert! Und
habe auch schon seinen Termin-Kalender studiert: leider singt er selten in
Reichweite.
Ein
weiteres „Leider“ muss man bezüglich der Sieglinde (Heidi Brunner) resümieren:
denn sie hat insgesamt nicht sonderlich geglänzt und neben Simon O’Neill wirkte
sie richtig farblos. Sie hat mir insgesamt zu schrill und mit viel zu wenig
Substanz gesungen sowie zudem noch den einen oder anderen Ton derb versemmelt
und/ oder verschluckt. Schade.
Der
Wotan wurde gestern Abend von Thomas J. Mayer gesungen, welcher für den
erkrankten Falk Struckmann eingesprungen ist. Diesen Besetzungswechsel gab es
auch schon 2008 zur A- und B-Premiere der Walküre, denn Herr Stuckmann war
damals ebenfalls gesundheitlich lädiert. Damals sang Herr Mayer die Premiere von
der Bühnenseite, während jemand anderes spielte (bin mir grad nicht mehr
sicher, ob es Herr Struckmann war oder ein Spielleiter, o.ä.). Zur B-Premiere,
in der ich damals war, hat er dann die Rolle sowohl gespielt als auch gesungen.
Dabei ist ihm eine äußerst charmante Panne unterlaufen:
Die
Walküren-Inszenierung von Claus Guth beginnt auf einer riesigen Architektenplatte
(die auch schon im Kleinformat im Rheingold Bestandteil der Regie war). Auf
dieser Platte lenkte Wotan das Geschehen und so auch die Tatsache, dass Siegmund
bei Sieglinde und Hunding (Peter Rose) einkehrte. In der Mitte der Platte
befand sich die Tür zum Heim der beiden. Im Laufe der Handlung drehte sich
diese Tür immer mal wieder, so dass die Figuren mal drinnen, mal draußen waren. Und
jetzt kommt der Kniff: während Sieglinde Siegmund von dem Schwert berichtete,
wurde ihre Erinnerung quasi nachgestellt und Wotan erschien, um Notung in die
Esche – hier der Türrahmen – zu rammen. Doch Herr Mayer war zur B-Premiere wohl
noch nicht ganz firm, was die Regie anging und fand offenbar den dafür
vorgesehenen Schlitz nicht, so dass er erst suchte und bohrte, bis er
schließlich aufgab und das Schwert an den Türrahmen lehnte. Da sich die Tür
aber im weiteren Verlauf immer weiter drehte, verrutsche es und
Sieglinde stellte es schließlich wieder aufrecht hin. Schlussendlich fasste sich
der Siegmund ein Herz und rammt das Schwert in den vorgesehenen Schlitz – um es
kurz darauf heldenhaft wieder herauszuziehen.
Diese
kleine Panne war damals Pausengespräch No. I, denn die meisten nahmen an, dass es
Bestandteil der Regie sei, dass Wotan nicht in der Lage war, das Schwert in die
Esche zu schlagen, während Siegmund es gleichzeitig rein- und rauszog. Ihr
könnt euch vorstellen, dass das zu diversen hanebüchenen Interpretationen
führte….. Gestern verlief die Nummer mit dem Schwert übrigens reibungslos.
Der
zweite Aufzug begann in Walhall. Wotan saß vor seiner Architektenplatte und an
der Wand lehnte das Weltenmodell aus dem Rheingold sowie eine Art Puppenhaus,
welches sich im dritten Aufzug als Walkürenfelsen entpuppt.
Herr
Mayer begann seine Partie leider ein wenig lasch. Ihm fehlte der nötige
donnernde Tiefgang für einen ordentlichen Wotan. Allerdings konnte er sich über
die Zeit steigern und den Schluss fand ich dann doch recht eindrucksvoll. Lilli
Paasikivi passte sowohl stimmlich, als auch darstellerisch gut in die Rolle der
Fricka und überredete Wotan, Siegmund zu töten bzw. nicht zu beschützen, äußerst
passgenau schnippisch. Catherine Foster finde ich die bessere Besetzung für die
Brünnhilde als Deborah Polaski, die sonst regelmäßig die Hamburger Brünnhilde
(bis auf die im Siegfried, dafür reicht ihre Stimme nicht) gesungen hat. Frau
Foster hätte zu Beginn des zweiten Aufzug allerdings etwas lauter singen können,
aber das hat sie im Laufe der Vorstellung korrigiert, so dass sie noch für
einige sehr eindrucksvolle Momente sorgen konnte.
Das
zweite Bild des zweiten Aufzugs – der Teil, in dem Brünnhilde Siegmund erst
töten und dann retten will. Wotan schließlich einschreitet und Siegmund den
Kampf mit Hunding verlieren lässt. Sowie Brünnhilde mit Sieglinde abhaut –
spielte unter der Architektenplatte, die immer mal wieder, passend zur Handlung,
flackert sowie der On-Off-Knopf mal an, mal aus war.
Der
letzte Aufzug begann wie immer mit dem Walkürenritt auf dem Walkürenfelsen.
Die Walküren leben in der Guth-Regie in einem Keller (zur Premiere war übrigens
grad das Thema Amstetten aktuell), welcher nur mit einer, oben gelagerten, Leiter betreten werden konnte. Dorthin flohen Brünnhilde und Sieglinde, um
Schutz zu suchen. Doch die Schwestern, die ihre Kleider falschrum trugen,
Kampfszenen probten und sich im nächsten Moment schreckhaft in ihren Hochbetten
versteckten, waren viel zu verängstigt, um sich dem Vater entgegen zu stellen
bzw. sich seinem Wunsch zu widersetzen.
So kam es, wie es kommen musste: Sieglinde konnte zwar fliehen, doch nur, weil
Brünnhilde sich dem Zorn Wotans stellte. Welcher sofort klar machte: „Was sonst
du warst, sagte dir Wotan: was jetzt du bist, das sage dir selbst! Wunschmaid
bist du nicht mehr; Walküre bist du gewesen: nun sei fortan, was so du noch
bist!“
Und
obwohl sie durch ihre Entscheidung Siegmund retten zu wollen, dem eigentlichen
Willen Wotans entsprochen hat, hat sie sich durch das Widersetzen seiner
Befehle quasi zu einer eigenen Identität emanzipiert. Das nun folgende Duett
mit Wotan, bestritt Brünnhilde somit mintunter auf Augenhöhe und stand mit
Wotan z.T. Rücken an Rücken. Dann folgte der Feuerzauber und bevor Brünnhilde
ihre Strafe empfing, blickte sie noch einmal ihrem Spiegelbild entgegen….
Diese
Stelle kann auch schon ein wenig als Ausblick auf den Siegfried gesehen werden,
in dem Claus Guth die Suche nach der eigenen Identität als Kernstück in seiner
Regie aufgreift und sowohl Spiegel als auch geschlossene, winzige, riesige, offene,
zerbrochene und milchige Fenster immer wieder Teil der Kulissen sind.
Die
musikalische Leitung hatte erneut Simone Young inne und sie hat solide durch den
Abend geführt.
Vom
Schlussapplaus kann ich leider nicht berichten, weil ich zeitgleich mit dem geschlossenen
Vorhang den Saal im Sprint verlassen habe, denn sonst hätte ich meinen Zug um
21.15h nicht bekommen und hätte mich zwischen einige eisige Stunden warten + teuren
IC oder einer 2-½-stündigen Bummelfahrt inklusive Schienenersatzverkehr entscheiden
müssen.
Danke schön! :)
AntwortenLöschengroßartig dein kommentar auf dem lady-blog - du sprichst mir aus der seele!
AntwortenLöschenwas machst du eigentlich beruflich wenn ich fragen darf? oder studierst du noch? gehst du auch gerne außerhalb hamburgs in die oper? ich würde gerne mehr in andere opernhäuser gehen, kann es mir aber leider noch nicht leisten - aber hoffentlich dieses jahr mal!
lieben dank dass du so treu auf meinem blog vorbeischaust und kommentierst, das bedeutet mir wirklich sehr viel!
xxx Anita
Hallo Anita, vielen lieben Dank für deinen Kommentar! Hab' mich sehr darüber gefreut und dir schnell mal eine Mail geschrieben. :)
LöschenLiebe Grüße, Sarah