Vor
der Aufführung trat Generalmusikdirektorin und musikalische Leiterin des Abends Simone Young,
sichtlich gerührt, vor den Vorhang, um dem Hamburger Publikum den Tod der Star-Sopranistin
Elizabeth Connell mitzuteilen. Sie war am Samstag im Alter von 65 Jahren
verstorben. Connell sang in Bayreuth, Salzburg, Wien, der Met, Scala, DOB, usw. –
ihr kennt die Liste. Zudem sang sie seit den 80er Jahren regelmäßig an der
Hamburgischen Staatsoper Rollen, wie die Lady Macbeth, die Senta, die Isolde
und zuletzt 2009 die Turandot. Frau Young widmete ihr die Hamburger Aufführung der Götterdämmerung.
Der Ring-Schluss trifft mich ja immer besonders hart. Aber vorgestern war's echt speziell. Am Ende hab' ich mich in ein anderes Jahrhundert gewünscht, in dem Fächer gängig waren, denn Brünnhildes Schlussmonolog hat mich echt umgehauen und ein wenig Extra-Luft und/oder Sauerstoffzelt wäre wünschenswert gewesen! ;)
Aber fangen wir von vorne an: Die
Götterdämmerung beginnt so, wie der Siegfried aufgehört hat: Siegfried und
Brünnhilde befinden sich nicht beieinander, sondern in getrennten Räumen auf
den zweckmäßig renovierten Walkürenfelsen. Brünnhilde liegt im Bett, über ihr
der immer noch zerstörte Spiegel. Siegfried macht Frühstück, hinter ihm die,
drei nun reparierten, Fenster. Die Nornen bewegen sich wie Geister um die
beiden herum. Siegfried packt schlussendlich seine Proviantbox, noch bevor
Brünnhilde ihr „Ja“ für Siegfrieds Reise gibt.
Siegfried
verlässt den Walkürenfelsen und schlagartig ist um ihn herum alles schwarz – doch
noch bevor er selbst eine Richtung einschlagen kann, wird er, nicht nur
sinnbildlich, sondern tatsächlich vom Gibichungenpalast überrollt. Jener ist
ein riesiges 2-stöckiges Gebäude aus verwinkelten Räumen, die a) immer mal
wieder neu gestaltet werden und b) dreht sich das Ganze auch noch permanent. Sie
sollen die verschlungen und schwer zu durchschauenden Wege, Verträge und
Intrigen der Macht symbolisieren. „Hör' und hüte dich: Verträgen halte Treu'!/ Was du bist, bist du nur durch Verträge;/ bedungen
ist, wohl bedacht deine Macht.“ (Fasolt zu Wotan im Rheingold).
Einen besonderen Kniff in der
Konstruktion stellen die, schon aus den anderen Teilen bekannten,
Architektenplatten dar: sie sind in der Decke integriert und sind eine Art
Fenster von dem die einstigen Machthaber versuchen Einfluss zu nehmen. Z.B.
versucht Wotan, während Waltraute Brünnhilde zu überreden versucht den Ring
abzugeben, vergeblich Einfluss auf Brünnhilde zu nehmen. Weiter steht Alberich
im Zwiegespräch mit Hagen auch über ihn und lenkt ihn wie eine Marionette.
Gunther und Gutrune treten
als Upper-Class-Kids auf und werden von Hagen instrumentalisiert. Der Clou an
Claus Guths Götterdämmerung ist, dass Siegfried weder den Vergessens- noch den
Erinnerungstrank trinkt. Dabei setzt Guth auf die mehr als traurige Vorgeschichte
Siegfrieds, in der er stets instrumentalisiert wurde und ohne moralische Vorbilder
aufgewachsen ist. Woher soll also auf einmal die psychische Standhaftigkeit
kommen, sich den Intrigen entgegenzustemmen? Eine durchaus bestechende Logik.
Doch Siegfried bleibt nicht in seiner Entwicklung stehen und besinnt sich im
dritten Aufzug, überreicht Hagen Nothung und inszeniert somit seinen Tod. Genau
wie Brünnhilde zieht er die Konsequenz aus seinen Handlungen.
Der Schluss bietet in Hamburg
beeindruckende Bilder! Nachdem Siegfried gefallen ist, wandelt er im Tod den
Weg durch das Labyrinth zurück zum Walkürenfelsen und wartet dort auf
Brünnhilde. Während sich Hagens Gefolgschaft verzweifelt vor dem Feuer retten
will, ziehen die Götter fanatisch feiernd ihrem Untergang entgegen. Brünnhilde
steht vor dem lodernden Machtpalast, der langsam immer weiter in die Ferne
schweift. In ihrem Tod findet sie ebenfalls den Weg zurück zum Walkürenfelsen. Sie
streckt ihre Arme Siegfried entgegen und stirbt.
Musikalisch war der Abend gut
und rund! Catherine Foster (Brünnhilde) konnte sich nochmals steigern und auch
Christian Franz (Siegfried) war in guter Verfassung. Einen großartigen Auftritt
legte ebenfalls Robert Bork als Gunther hin. Definitiv ein Sänger, den man sich
merken sollte. Seine Bühnen-Schwester Gutrune, Anna Gabler, war gut – aber eben
auch nicht mehr. Mit Attila Jun als Hagen musste ich ein wenig umdenken: ich
hatte noch immer Hans-Peter Königs grandiose Interpretation aus der Met im Ohr
und dagegen kam er einfach nicht an. John Wegners Partie (Alberich) war kurz
aber oho. Deborah Humble als Waltraute konnte mich leider nicht überzeugen –
auch hier hatte ich noch die Met-Übertragung im Sinn: Waltraut Meier war
einfach rundum genial!
Hier noch ein Clip, in
anderer Besetzung, von der Premieren-Reihe 2010:
Sauerstoffzelt ... ein guter Begriff in diesem Zusammenhang ...
AntwortenLöschenGruß
haha, ja über Sauerstoffzelt musste ich auch schmunzeln ;-)
AntwortenLöschenich mag sehr wie du über Opern schreibst, wirklich ich finde das super!
xxx Anita
Was ich mich frage: wieviel Staatsgeld ist wieder in diese aufwendige Aufführung geflossen, Geld, das doch zunächst für die Energiewende verwendet werden müsste.
AntwortenLöschenErst wenn das gelungen, darf auch wieder üppig in der Oper geschwelgt werden.
Fazit: mindestens die Hälfte der Opernbühnen Deutschlands müssen solange geschlossen werden, bis die Energiewende gelungen sein wird (ohne Staatsverschuldung). Es gibt ja auch YouTube, da kann man den Abwasch machen und gleichzeitig die Götterdämmerung hören. So mache ich das!
Hallo Gerhard, ich weiß nicht genau wie teuer der Hamburger Ring war - aber da dürften einige Euros drin stecken..... Und das finde ich auch gut so!
LöschenDenn auch wenn ich die Energiewende zu erneuerbaren Energien unglaublich wichtig finde und mich in dem Bereich auch schon selber engagiert habe, denke ich nicht, dass es die Lösung sein kann, Bildungs- und Kultureinrichtungen die Gelder zu streichen. Das wäre meines Erachtens ein Schritt in die absolut falsche Richtung! Oper ist zwar nix für jeden Geschmack, aber jede Form von politischer, kultureller oder wissenschaftlicher Bildung ist schließlich ein Schritt in Richtung selbstständig denkender Mensch. Oder siehst du das anders?
Auch wenn der Beitrag von Gerhard schon etwas länger her ist und wohl absichtlich provozieren soll.
AntwortenLöschenBei der Oper würde mE am falschen Fleck gespart werden. Selbst wer die Oper nicht mag und diese "abschaffen" will, sollte doch zur Kenntnis nehmen, dass es da einfach nicht genug zu holen gibt.
Ein paar Meter Autobahn kosten mehr als die gesamte Ringinszenierung ...
Abgesehen davon: Was haben wir im alten Europa denn noch anderes als unsere Kultur (- wobei ich speziell die Musik von Wagner gemeinsam mit Thomas Mann als nationenübergreifendes Weltkulturgut sehe)? Ein Deutschland, das nur aus Windrädern und RTL2-Nachmittagsfernsehen besteht, ist jedenfalls nicht meins.
lg Mathias