Mittwoch, 4. April 2012

La Bohème - Staatsoper Hamburg

Gestern hat mich, nach Waltraud Meier, die nächste prominente Absage innerhalb der letzten vier Wochen heimgesucht: Angela Gheorghiu hat in Hamburg das Handtuch geschmissen. Stattdessen wurde Barbara Frittoli eingeflogen.

Klar, die Überraschung, als ich von ihrer Absage las, war jetzt nicht gerade überwältigend – es hätte ja auch an ein Wunder gegrenzt, wenn Miss Tussi wirklich alle von ihr angekündigten Vorstellungen gesungen hätte…. 

Und auch in Hamburg wurden ihr diverse Extrawürste serviert: die Bohéme wurde z.B. mit zwei, anstatt mit einer Pause versehen. Warum? Man darf - bzw. ich mach’s einfach - an dieser Stelle spekulieren: schafft sie etwa, die nicht einmal 2h lange, Oper mit „nur“ einer Pause durchzuhalten? Oder wollte sie für das Hamburger Publikum - an das sie sich laut eines Interviews im Vorfeld nicht mehr erinnern konnte - eine besonders treffsichere Partie hinlegen? Wohl kaum…. ;) Zumal, wenn doch, ihr das offenkundig nicht gelungen ist. Denn ich war zwar am letzten Freitag nicht in der Vorstellung, aber im Dunstkreis der Oper und habe es mir daher nicht nehmen lassen, mir den Schlussapplaus anzusehen: frenetischer Jubel klingt anders – selbst im kühlen Hamburg. Zudem ist mir aufgefallen, dass Madame ein leicht abgeändertes Kostüm getragen hat. Die bisherigen Mimis sahen in Hamburg am Schluss immer anders aus….. ;)

Nun ja. Genug gelästert. Wenden wir uns dem Positiven zu: Barbara Frittoli habe ich bisher noch nie live gesehen und war daher besonders gespannt. Und: sie war wirklich ein großartiger Ersatz. Genau genommen wirkt für mich das Wort „Ersatz“ absolut fehlplatziert, denn vom ersten Moment an hätte ich sie um keinen Preis der Welt gegen eine andere Sängerin austauschen wollen. Sie hat eine wundervolle Stimme und singt einen absolut zielsicher in die Gänsehaut. Gut, zu Beginn gab es ein oder zwei versemmelte Töne, aber angesichts der kurzfristigen Zusage, ist das schnell verziehen.

Ihre Bühnenliebe Rodolfo, gesungen von Giuseppe Filianoti, hat’s mir gestern echt nicht angetan. Nach einem völlig vergeigten Schmachtruf gen Mimi, folgten noch einige weitere nicht ganz sauber gesungene Töne. Jedoch verflüchtigte sich dies zum Glück zum größten Teil nach der ersten Pause. Vielleicht kann man ihm zu Gute halten, dass er einiges an Rauch abbekommen hat, denn beim Verbrennen des Romans zu Beginn der Oper ist wohl einiges echt schief gegangen. Die Rauchentwicklung war so stark, dass man die werten Herren kaum noch sehen konnte und das obwohl sie verzweifelt versucht haben den Rauch in eine andere Richtung zu wedeln – bis sich schließlich einer von ihnen erbarmte und den kompletten „Ofen“ von der Bühne verbannte. Dass solche Aktionen nicht gerade die Stimmbänder ölen und zu butterweichen Tönen führen, liegt auf der Hand.

Die Musetta wurde gestern Abend von Katerina Tretyakova gesungen, von der ich ja, seit ich sie im Januar als Gilda gesehen habe, großer Fan bin. Und dies, wie sich bestätigt hat, zu recht. Mal ganz abgesehen von ihrer absolut treffsicheren und klaren Stimmführung, hat sie die Partie mit der nötigen frivolen Leichtigkeit gesungen – und gespielt! Wirklich großartig! Eine Musetta, genauso, wie man sie sich wünscht. Ihren Liebsten, den Maler Marcello, bestritt George Petean mit Bravour. Gut gesungen, gut gespielt! Moritz Gogg als Schaunard stand dem in nix nach und Adrian Sampetreans Colline war ebenfalls eindrucksvoll. In der „Mantelarie“, die für mich zu den Highlights in der Bohème gehört, fehlte mir allerdings der letzte Schliff: ein wenig mehr sonore Tiefe in der Stimme täte ihm da gut.

Am Pult stand die Generalmusikdirektorin Simone Young. Mit ihrem Dirigat konnte ich leider nicht so viel anfangen: es fehlte mir der nötige Bohème-Schmelz und das Drama. Es war mir alles ein wenig zu seicht und zu undefiniert.

Ein wirkliches Trauerspiel war allerdings das echt erkältete Hamburger Publikum. Mal abgesehen von permanenten "normalen" Husten und Schniefen (allein im letzten Bild haben fünf meiner direkt hinter, vor oder neben mir Nachbarn die Partitur mit ordentlichen Hustern erweitert), gab es in meinem Dunstkreis durchaus einige, denen ich dringend empfehlen würde einen Arzt aufzusuchen. Das was die da aus ihren Lungen nach oben gehustet haben, kann nicht gesund sein.

Die Inszenierung von Guy Joosten (Premiere 5. November 2006) finde ich gut – nicht mehr und nicht weniger. Sie ist kein Geniestreich, aber auch kein Grund zum Wegrennen: Es gibt durchaus schöne Bühnenbilder und das Gefälle zwischen prekären Lebenslagen der Möchtegern-Künstler und blinder jetzt-bezogener Euphorie wird deutlich.

Zum Schlussapplaus kann ich leider nix sagen, weil ich zu meinem Zug sprinten musste. Der allerletzte fuhr nämlich ziemlich exakt eine Viertelstunde nachdem Frau Young den Taktstock hat sinken lassen. Danke dafür Frau Gheorghiu, denn obwohl sie nicht einmal gesungen hat, wurde die 2. Pause trotzdem durchgezogen und somit das Verbleiben beim Applaus für mich unmöglich. Ihre Absage war offenbar zu kurzfristig, um zum Normalprogramm zurückzukehren.

12 Kommentare:

  1. Oh ja, da habt ihr mit Barbara Fritoli einen
    grossartigen Ersatz bekommen. Die kennt keine
    Starallüren!!
    Liebe Grüsse maggy

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    1. Böse Zungen behaupten sogar, dass Frau Frittoli sich schon im Vorfeld bereit hielt, da man mit Absagen seitens der Gheorghiu ja durchaus rechnen sollte.... ;)

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  2. du schreibst immer so wunderbar offen über das was du denkst, ich würde es mich glaube ich gar nicht trauen!
    ja hier ist es auch öfter so, dass der ersatz besser / gleich ist wie die ursprüngliche besetzung!
    la bohème ist eine meiner lieblingsopern, nunja der film bleibt geschmacksache - meiner ist es nicht!

    xxx Anita

    p.s. ich war in letzter zeit recht viel beschäftigt mit dem arbeiten (zwei jobs, texte abgeben etc.) und konnte leider ganz lang deinen blog nicht besuchen - aber das hol ich jetzt nach!

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    1. Ja, ich bin im Moment auch ziemlich am Rotieren und komm' oft nichteinmal dazu zeitnah die Kommentare zu beantworten. Ich hoffe das nimmt mir keiner übel.... ;)

      Welchen Film meinst du? Den mit Rolando Villazon und Anna Netrebko? Den hab' ich im Kino gesehen - sogar 2x. Aber weniger weil ich's sooooo gut fand. Ich hatte zwei verschiedenen Leuten/ Gruppen versprochen mit ihnen hinzugehen. Mir war der ein bisserl zuuuu kitschig. Aber ansonsten mag ich die Boheme eigentlich auch echt gerne - besonders auch das Libretto (auch wenn ich's nicht im Original verstehe). ;) Meine beiden Lieblingsopern von Puccini sind aber Tosca und Turandot.

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  3. Hallo Sarah-Maria, als Hamburger Opernfreundin lese ich immer gerne deine Berichte und freue mich über die Aktivitäten der Jungen Opernfreunde Hamburg e.V.. Ich selbst bin allerdings ein älteres Semester – mein erster Opernbesuch war am 8. Mai 1960 - , aber trotzdem im Internet aktiv, jetzt auch mit einem eigenen Blog: www.belcantissimo.blogspot.de.

    In der Bohème war ich natürlich auch, und zwar in der ersten Vorstellung am 27.3. , in der Filianoti in ausgezeichneter Form war. Die Gheorghiu hat mir nur im 3. Akt richtig gut gefallen, im ersten Akt war sie als kleine arme Näherin einfach nicht glaubhaft. Und die zweite Pause war nicht die einzige Extra-Wurst (in der Gerüchteküche wird gemunkelt, dass sie die zweite Pause verlangt haben soll, um sich für den 4. Akt nochmal schminken zu können). Es fing schon damit an, dass sie sich das gesamte stumme Agieren in Mimis Dachstübchen ersparte (nach dem Inszenierungskonzept ist Mimi von Anfang an in ihrem Zimmer und lauscht, was unter ihr passiert, um den richtigen Moment abzupassen, wenn Rodolfo alleine ist), ihr Zimmerchen blieb einfach erst mal leer, bis sie dann mal kurz reinhuschte, die brennende Kerze auspustete und mitnahm. Außerdem eigene Kostümvarianten, natürlich tief dekolletiert (was mich ja schon an ihrem Gretchen in der Wiener Staatsoper gestört hatte). Ich würde sie natürlich gerne einmal in einer richtigen Primadonnen-Rolle live erleben - Tosca, Adriana Lecouvreur u.ä. - da kann sie dann sich selbst und somit überzeugender spielen. Was die Absage der dritten Vorstellung anbelangt, so soll sie – so wiederum die Gerüchteküche – Meinungsverschiedenheiten mit Frau Young in der zweiten Vorstellung gehabt haben (die erste hatte Alexander Soddy dirigiert). Was auch immer an diesen Gerüchten dran sein mag, die Dame ist bekanntermaßen schwierig, da ist es schon erfreulich, dass sie überhaupt nach Hamburg gekommen ist. Die Staatsoper selbst scheint sich da aber vielleicht auch nicht so ganz sicher gewesen zu sein, denn die Karten für die Bohème- Vorstellungen, die ja – wie alle anderen Vorstellungen auch - schon seit August 2011 im Vorverkauf waren, gab es zu den ganz normalen Preisen und nicht etwa zu höheren Sonderpreisen, was allgemein erstaunt hat.

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    1. Vielen Dank für den Link zu deinem Opernblog! Ich hab' ihn gleich mal zu meinem Blogroll hinzugefügt. :) Mit dem 8. Mai 1960 kann ich aber leider nicht mithalten. Da gab's mich noch nicht. ;)

      Ähnliche Gerüchte habe ich auch vernommen. Und bei Frau Gheorghius sonstigem Verhalten fällt es nicht schwer diese auch zu glauben. Ich habe z.B. auch noch gehört, dass sie stets in dicker Limousine aus dem nur wenige Meter entfernten Hotel Vier Jahreszeiten angedüst kam und neben dem Dekolleté auch Extrawünsche zur Rocksaumlänge hatte..... ;)

      Als Adriana Lecouvreur habe ich sie 2010 in London gesehen. Dort hat sie auch diverse Vorstellungen, z.T. in allerletzter Minute, abgesagt - was das Publikum dazu veranlasst hat, sie in Abwesenheit auszubuhen..... Dennoch: sie singt toll! Und die Vorstellung war wirklich ein Erlebnis - auch wenn die Oper an sich mich jetzt nicht soooo sehr umgehauen hat!

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  4. Schicker Beitrag zu diesem Thema.

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  5. Danke für deinen Bericht aus Hamburg. Ich habe auch ständig mit einer Absage der Gheorghiu gerechnet. Frau Frittoli habe ich in München als Gräfin Almaviva gesehen. Leider hört man ihrer stimme mittlerweile die Ausflüge ins zu schwere Fach (Leonora) an.

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  6. Miss Gheorghiu habe ich mal in New York als wandlungsfähige Künstlerin erlebt. Sie sang da das Silvesterkonzert, so ein Arien-Programm. Stimmlich sehr in Ordnung, optisch auch. Nach jeder Pause hatte sie ein neues Kleid an, am Ende zu den Zugaben also insgesamt drei. Ganz am Ende aber kam es dicke.

    Niemand hatte ihr gesagt, daß es in New York Brauch ist, zu Silvester am Schluß des Konzerts "Auld lang syne" zu singen. Das ist so ähnlich wie der Radetzky-Marsch in Wien zu Neujahr oder die Berliner Luft in der Waldbühne im Sommer. Das Orchester legt also los, das Publikum singt mit - und Frau Georgiu kann den Text nicht. Es bleibt ihr also nichts andres übrig, als sich im dritten Kleid nach den Übertiteln umzudrehen, die in der Fisher Hall gleich hinter dem Sänger hängen, um wenigstens so zu tun, als summe sie nicht bloß mit. Ohhjeeh. Herrjeemineh.

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  7. Das wäre Waltraud NIE passiert

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  8. Berliner Luft :

    http://www.youtube.com/watch?v=RDpDi-QQKjc

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