Freitag, 27. April 2012

Turandot - Staatsoper Hamburg

Ach ja, die Turandot. – wer steht nicht auf diese Oper? Und umso besser die Oper an und für sich ist, umso höher sind die Erwartungen – zumal die Turandot sich in letzter Zeit nicht in meiner Reichweite hat blicken lassen. Wahrhaft historische war auch der Termin der heutigen Aufführung – zumindest fast: denn gestern vor genau 86 Jahren, also am 25. April 1926, hatte die Turandot ihre Uraufführung in der Scala. Toscanini dirigierte diese nur bis zu dem Tod von Liù. Denn bis zu diesem Punkt ist Puccini vor seinem eigenem Tod gekommen. Das damals schon vorliegende "Ende", welches ein enger Freund Puccinis, Franco Alfano, nach den Skizzen des Komponisten fertig gestellt hatte, wurde erst in späteren Vorstellungen aufgeführt.

Mehr als meinen Erwartungen gerecht wurde das Dirigat von Carlo Montanaro. Es war wirklich eindrucksVOLL – und die Betonung liegt dabei auf "voll": Einen klangopulenten, düsteren und rasanten Puccini zeichnete er zusammen mit seinem Orchester.

Catherine Foster als Turandot war ebenfalls grandios – und fies. Nach ihrer wunderbar lyrischen Siegfried-Brünnhilde 2009, wurde ich ja zu ihrem Fan – jedoch habe ich mich im Vorfeld ernsthaft gefragt, ob sie das Zeug für die unnahbare Kühle einer Turandot hat. Und sie hat! Aber so was von!

Carl Tanner als Calaf war wiederrum nicht wirklich mein Fall: Ich fand ihn in erster Linie laut. Gut – zusammen mit dem Chor und dem Orchester hat das durchaus auf der Gänsehaut-Front punkten können, aber seiner Stimme fehlte sozusagen im Abgang einfach der Schmelz. Ja, ich fand ihn mitunter fast heiser. Dennoch: das Turandot-Calaf-Duett nach dem zwanghaft verpassten „Dornröschen-Kuss“ war wirklich beeindruckend!

Die Liù von Mirjam Tola war gut, aber: Mhm. Ist vielleicht Jammern auf hohem Niveau, aber irgendwie hat sich bei mir nicht das typisch bodenlose Liù-Mitleid eingestellt. Sie ist für mich einfach zu viel Diva für diese Rolle. Überaus großartig hingegen war Alexander Tsymbalyuks Timur! Seine Stimme geht einfach direkt ins Rückenmark! Schade, dass man ihn in Hamburg in der nächsten Spielzeit nicht sehen wird. Ping (Moritz Gogg), Pang (Paulo Paolillo) und Pong (Peter Galliard, der für den erkrankten Dovlet Nurglediyev eingesprungen ist) fanden leider erst nach der ersten Pause zueinander. Und Haus-Debütant Peter Maus (Altoum) machte sich wirklich gut. Zu erwähnen bei einer Chor-Oper wie der Turandot ist natürlich auch der Chor: Und zwar in diesem Fall als positiv! ;) 

Die mir schon bekannte Inszenierung nach Gian-Carlo del Monaco war eine Turandot-Inszenierung. Nicht mehr – aber auch nicht weniger. Die Kuslissen waren düster und wenig hoffnungsvoll. Der Chor lag stets in Ketten. Er duckte sich und kauerte zusammengepfercht links und rechts beieinander. Über der Bühne schwebte eine massive Mauer, die klar machte: hier gibt es kein Entkommen.

Danach ging für mich, leider, mal wieder das, mittlerweile doch recht gut durchchoreographierte, Gerenne zum Hauptbahnhof los. Denn seit sie den Zug um 23:15h gestrichen haben und statt dessen einen um 23:38h angeschafft haben, den sie dann aber wiederrum an Werktagen gestrichen haben, fährt mein letzter Zug um 22:38h - und es ist immer ein wenig Glück im Spiel, ob ich ihn auch bekomme.

Auf der Rückfahrt habe ich dann noch darüber sinniert, welche der drei Fragen ich bei meiner ersten Turandot nochmal richtig hatte. Ich weiß noch recht sicher, dass es zwei waren - und ich mich darüber 'nen Keks gefreut habe. Das hätte mich zwar auch nicht vor der Guillotine bewahrt, aber so what. ;) Jedenfalls. Ich glaube ich hatte „Blut“ & „Turandot“ richtig. Wobei ich bei der II. auch mit Liùs „Liebe“ geliebäugelt habe. Aber das kann man ja praktischerweise ausblenden und vor sich behauten, dass man im Fall der Fälle gaaaanz sicher richtig geantwortet hätte. ;)

Und ihr?

Donnerstag, 26. April 2012

[Ballett] Die kleine Meerjungfrau - Staatsoper Hamburg

Die Frage, warum die kleine Meerjungfrau stets immer schon Monate vorher ausverkauft ist, beantwortet sich einem unmittelbar dann, wenn man drinsitzt: weil sie schlicht und einfach genial ist!

Wahnsinn, wie Choreograph John Neumeier, der heute Abend übrigens auch, wie so oft, selbst im Publikum saß, in der Musik von Lera Auerbach (unter der musikalische Leitung Simon Hewett), die Unterwasserwelt gezeichnet hat! Die Bewegungen sahen tatsächlich so aus, als wenn sie unter der Wasseroberfläche stattfinden. Hélène Bouchet (die Meerjungfrau) tanzte in einem langen flatternden Schlauch um den Beinen - ihre Beine hinfort. Es schien, als habe sie gar keine Knie, sondern tatsächlich einen sich schlängelnden und windenden Fischschwanz. Die Begegnung mit dem Prinzen (Carsten Jung) ließ sie schließlich den Meerhexer (Alexandre Riabko) um die Verwandlung zum Menschen bitten. Diese Szene war unglaublich eindrucksvoll. Keine Spur von romantischer Verwandlung und im perlenden Meeresschaum ans Ufer Gespüle, sondern es war schmerzvoll, grausam, rasant und am Ende lag ein 40 Kilo Häufchen Elend zusammengekauert am Strand.

Der Prinz nahm sie aus Mitleid im Rollstuhl mit auf sein Schiff. Doch dort begegnete er seinerseits seiner eigenen großen Liebe. Seiner Prinzessin (Florencia Chinellato). In unförmigen und hilflosen Gesten versuchte die Ex-Meerjungfrau dies zu verhindern. Jedoch ohne Erfolg. „… eine wunderschöne Geschichte über eine Möglichkeit jemanden unsterblich zu lieben, was jedoch nicht bedeuten muss, dass dieser mich zurück liebt. Meistens liegt in solchen Erzählungen unsere Sympathie bei dem Liebenden. Wir werten den Nichtliebenden schnell negativ. Andersen lehrt uns, dass eine ungleiche Liebe nicht zum Recht verhilft, in ähnlicher Weise geliebt zu werden.“ (John Neumeier, Programmheft S.9) Die kleine Meerjungfrau scheitert – auch in ihrer Gestalt als Mensch. Ihre Bewegungen bleiben irgendwie – ähm – fischig.

Auf einer völlig schwarzen Bühne bekommt sie nun fürchterliche Platzangst in einem vermeidlich kleinen grellen Raum – der sich jedoch hinterher als Ballsaal entpuppt. Wahnsinn, wie Hélène Bouchet das getanzt hat! Man konnte richtig ihre Panik spüren: geduckt und gleichzeitig nach allen Seiten gestreckt stieß sie immer nur gegen Wände.

Der Prinz nahm die Prinzessin zur Frau. Die Meerjungfrau bekam vom Hexer die Chance ihre Schwanzflosse wiederzubekommen, wenn sie den Prinzen tötet. Doch sie brachte es nicht über’s Herz. Am Schluss blieb sie allein zurück, weder Mensch noch Meerjungfrau, und begegnete ihrem Schöpfer, dem Dichter (Ivan Urban), der sie von Anfang an begleitet hat. „Einer scheint der Schatten des anderen zu sein. Schöpfer und Schöpfung sind eins. Die Liebe des Dichters zu seiner kleinen Meerjungfrau gibt ihr schließlich eine Seele, die sie unsterblich macht, wie auch seine Kreation ihn zur Unsterblichkeit verhilft“ (Programm S. 4). Vollkommen umgegeben von unzähligen Sternen in einem endlos weiten Raum, gingen sie also zusammen auf die Suche nach etwas vollkommen Neuen. Dieses Schlussbild war so schön, dass man sich in diesem Moment wünschte, niemals wieder seinen Blick davon wenden zu müssen.

„Diese wunderschöne metaphysische Beschreibung von Sehnsucht, das Nichtzufriedensein mit dem, was man hat – sei es so schön wie eine Unterwasserwelt, sei es „so blau wie eine Kornblume“, wie Hans Andersen beschreibt. Das heißt, die kleine Meerjungfrau muss in ihrer Welt nicht leiden, weil sie alles hat, was eine Meerjungfrau glücklich macht. Sie strebt aber nach einer für sie unerreichbaren Welt. In der Meerjungfrau stecken Sehnsucht, eine fremde Welt zu entdecken, und Mut, durch ihre Liebe diese neue Welt tatsächlich auch zu erreichen. Beides tut sie unter größter Schwierigkeit, aus Liebe leidet sie unendliche Schmerzen. Und wenn es schief geht, so resigniert sie nicht. In ihrer Welt würde die Meerjungfrau kein Gesetz brechen, wenn sie den Prinzen umbrächte, aber sie tut das nicht, weil sie ihn wirklich liebt. Und indem sie ihn liebt, wird sie in eine höhere Welt transformiert: in die Welt der Luft“ John Neumeier im Programmheft (S. 9-10)

Was für ein toller Abend! Und hier noch der Trailer:

Mittwoch, 18. April 2012

Laufenberg droht mit Spielzeit-Aus

Der Finanzstreit um die Oper Köln geht offenkundig in die nächste Runde. Der Intendant Uwe Eric Laufenberg droht nun in einer Pressemitteilung damit, die kommende Saison ganz abzusagen. Im Fall der Fälle wäre Köln damit das erste deutsche Opernhaus, welches seit den Kriegsjahren 1943/44 eine komplette Saison absagt.

Als Grund dafür wird genannt, dass der Hauptausschuss des Kölner Stadtrates zwar zuvor genehmigt hatte, dass die finanziell angeschlagene Oper Kredite aufnehmen dürfe, jedoch keine neuen finanziellen Verpflichtungen, wie z.B. in Form von Verträgen, eingehen dürfe. Somit wären nach Angaben der Opernleitung auch keine neuen Künstlerverträge möglich.

In der Saison 2011/12 hat Laufenberg über 5 Millionen Euro aus Rücklagen nehmen müssen, um den Spielbetrieb wie von ihm geplant weiterlaufen zu lassen. Nun fordert er alle handelnden Personen auf eine schnelle Lösung zu finden. Die Vorstellung der neuen Saison ist/war (?) nämlich eigentlich für den 24. April geplant.

So ist es diversen Presseartikeln im Internet zu entnehmen. Allerdings klingt es für mich äußerst seltsam, dass die Kölner Oper jetzt erst mit dem Unterschreiben der Verträge für die nächste Saison beginnen will....

Montag, 16. April 2012

Die verkaufte Braut - Staatsoper im Schillertheater Berlin


Ja, ja, ich weiß, gestern konzentrierte sich das Berliner Opernleben eher auf die Deutsche Oper und ihre Lohengrin-Premiere (mit dem kurzfristig eingesprungenen Klaus Florian Vogt), aber dafür hat unser aller Kartenbudget bei weitem nicht gereicht. Daher sind wir in die Nachmittagsvorstellung ins Schillertheater gegangen.

Die verkaufte Braut von Bedrich Smetana habe ich gestern zum ersten Mal gesehen und fand sie zwar gut, aber sie hat sich keinen Platz auf der Liste meiner Lieblingsopern erobert. Die Ouvertüre könnte ich allerdings hoch und runter hören. ;)

Vielleicht lag’s aber auch ein wenig an der Besetzung, dass der Funke bei mir nicht übergesprungen ist, denn die war insgesamt so mittel. Vor allem aber passten die Stimmen für mein Empfinden nicht wirklich zusammen und dadurch wirkte alles irgendwie ein wenig eckig und verschroben. Mit Anna Samuil (Marenka) habe ich ja ohnehin so meine Probleme. Bisher hat mir nur ihre Tatjana (Eugen Onegin) gut gefallen. Und auch gestern war sie mir viel zu schrill und zu undifferenziert. Ihre Bühnenliebe Jeník hat Jeffrey Dowd gesungen. Und das war ein echtes Besetzungsfiasko. Die beiden haben weder optisch noch stimmlich zusammen gepasst. Herr Dowd war viel zu steif und wirkte in der knallig bunten Inszenierung äußerst fehlplatziert. Wie ein Banker in Woodstock. Und nicht nur das: auch seine Stimme passte so gar nicht zur Oper. Es hörte sich ein wenig so an, als wenn Siegfried auf einmal zum Rudolfo werden soll. Na ja, und um ehrlich zu sein, kann ich ihn mir auch nicht als Siegfried vorstellen.

Florian Hoffmann als Vasek fand ich hingegen super besetzt! Er hat grandios gespielt und auch seine Stimme hat durchaus beeindruckt. Pavlo Hunka als Kecal steht für mich ebenfalls auf der Positivseite. Genau wie Adriane Queiroz, die als Esmeralda zwar nur einen kurzen, aber dafür sehr eindrucksvollen Auftritt hatte. Zum Dirigat von Karl-Heinz Steffens fällt es mir schwer was zu sagen, da ich die Oper ja wie gesagt zum ersten Mal gesehen habe, aber irgendwie machte es auf mich den Eindruck, als wenn es - das klingt jetzt vielleicht seltsam - zu sehr deutsche-operetten-mäßig war. Das kann aber durchaus auch damit zusammenhängen, dass die Oper nicht in der Originalsprache (Tschechisch) gesungen wurde, sondern auf Deutsch. Schüttel....

Die Inszenierung von Balázs Kovalik war bunt und verdreht. Es hat sich mir zwar nicht alles erschlossen, aber ich habe mich dennoch ganz gut unterhalten gefühlt und es war halt immer was los auf der Bühne. Hier ist ein <Link> zu dem Trailer des Schillertheaters. Die Idee, die Figur des Vaseks überaus deutlich herauszuarbeiten hat mir aber sehr gut gefallen. Er wurde als etwas zurückgebliebener schüchterner Junge dargestellt, dessen Emotionen mit Füßen getreten wurden und von allen als Spielball benutzt wurde. Dadurch ist das Glück des Titel-Liebespaar fast ein wenig in den Hintergrund gerückt. Dass er dann aber zum Schluss zum (erfolglosen) Amoklauf antrat, fand ich völlig unvermittelt und irgendwie daneben.

Ein wirkliches Ärgernis hingegen, war eine Frau (sie hat durchaus ein Recht darauf als Mitwirkende erwähnt zu werden) zwei Reihen hinter mir, die ein Armband mit vielen kleinen Glöckchen trug, das bei jeder Bewegung wie blöd klingelte. So was geht echt nicht in meinen Kopf rein?! Wie kann man nur? Selbst wenn man so gedankenlos war es zu Hause anzulegen, merkt man doch allerspätestens zu Beginn der Vorstellung, dass man bei jeder noch so kleinsten Bewegung Töne produziert, die nicht in der Partitur stehen. Ich verstehe einfach nicht, dass sie sich damit nicht selber fürchterlich auf den Keks gegangen ist. Mal ganz abgesehen davon, dass ich es ohnehin ein seltsames Schmuckstück finde – hat irgendwie was von einer Kuhglocke.

Don Carlo - Deutsche Oper Berlin

Ich bin immer noch ganz beschwingt! Der Don Carlo am Samstag hat mir den Boden unter den Füßen weggezogen und ich weiß gar nicht so recht, wo ich mit meiner Schwärmerei beginnen soll. Denn musikalisch war es kaum zu übertreffen!

The one and only Markus Brück als Rodrigo hat mich schlicht umgehauen! Und Vorsicht: jetzt wird’s kitschig: Seine Stimme klingt wie pures Gold! Weich, glänzend, edel und einfach wie ein wunderschönes Geschenk. Als er seinen Bühnentod starb, hätte ich mich am liebsten zum Don Carlo auf die Bühne gesellt, um ihn dazu zu bewegen „weiterzuleben“ - UND zu singen. Denn ich habe tatsächlich nicht nur handlungsbedingt geheult, sondern auch deswegen, weil sein Auftritt zu Ende war. Sein Bühnen-Busenfreund Don Carlo wurde vom Startenor Massimo Giordano gesungen. Er war ebenfalls zum Anbeten toll! Ganz genauso, wie man sich einen Don Carlo vorstellt. Ich bin immer ganz und gar in seiner Stimme versunken.

Und kann man die Eboli besser als Anna Smirnova singen?! Sie konnte einfach alles: abgrundtief fies, verführerisch, reumütig und sanft. Und das alles mit einer Stimme, bei der nicht nur jeder einzelne Ton perfekt saß, sondern sich auch tief in mir einnistete und wie kleine Elektroschocks meine Nerven stimulierte. Meagan Millers Elisabeth hat mich anfangs nicht soooo sehr umgehauen, wie der Rest vom Fest –  aber ihr Schluss war so ergreifend, das ich auch bei ihr mit Superlativen um mich werfen möchte! Last but wirklich ganz und gar nicht least hat Alastair Miles einen überragenden Phillipp II. auf die Bühne gebracht. Seine berühmt berüchtigte Arie war einfach wunderschön und ging echt so was von unter die Haut. Tja, und dann war da ja auch noch der super-duper Chor der Deutschen Oper. Wie immer einmalig! Das Orchester unter Donald Runnicles hat Verdi gespielt. Und was für einen! Dicht, pointiert, emotional, pompös und filigran. Ich hätte die Aufführung im Anschluss am liebsten gleich noch einmal gesehen.

Die Inszenierung von Marco Arturo Marelli hat mir auch gut gefallen. Auf der Bühne standen diverse bewegliche Mauerstücke, die stets neue Räume schafften – jedoch ohne dass die Protagonisten aus ihnen (sinngemäß) entkommen konnten. In dem Bühnenboden war ein großes Kreuz, welches auch einige Male in den Mauern erschien, eingelassen und bildete sozusagen das Fundament auf dem agiert wurde. Neben den Kulissen waren die Kostüme ebenfalls eher düster gehalten. Bis auf das der Prinzessin Eboli, die in grün, und das der Kirche, die in (blut)rot, auftraten. Wirklich wunderschön war die Beleuchtung, die das Grau der Mauern mitunter handlungskonform weich, warm und menschlich erschienen ließ. Nicht ganz klar ist mir jedoch, was der riesige leuchtende weiße Kasten zu Beginn und zum Schluss symbolisieren sollte. Die Kaba in weiß? Mhm? Und der Inszenierung hätte mitunter ein wenig mehr Vielfalt in der Personenregie gut getan. Aber irgendwas ist ja schließlich immer. ;)

Fazit: Der Abend gehört definitiv zu einem meiner tollsten Opernerlebnisse ever! 

Und hier noch der Trailer in z.T. anderer Besetzung:

Kátja Kabanová - Staatstheater Oldenburg

Nach Janáček schwirrt in mir stets die Frage, warum seine Opern nicht wie Verdi, Wagner, Mozart oder auch Rossini, Puccini oder Strauss rauf und runter gedudelt werden. Denn ich finde sie einfach nur genial! Die Oldenburger Kátja Kabanová werde ich daher am Donnerstag (12.04.2012) mit Sicherheit nicht zum letzten Mal gesehen haben! 

Die beiden größten Pluspunkte, neben der Oper an und für sich natürlich ;), war das Dirigat von Thomas Dorsch und die Inszenierung von Lydia Steier. Der musikalische Oberleiter des Staatstheaters Oldenburg holte alles aus dem Orchestergraben raus, was ging. Die Musik hat mich so dermaßen in den Bann gezogen und mitgerissen, dass ich hinterher fix und fertig war. Es kam mir tatsächlich so vor, als hätte ich in der Musik die Handlung selbst durchleiden müssen - man hatte keine Chance dem zu entkommen. Der emotionale Overkill!

Die Regisseurin Lydia Steier inszenierte auf der neuen Oldenburger Drehbühne und nahm die Hauptfigur in einem spießigen Wohnzimmer in Haft. Indem sie das Zimmer nach hinten immer schmaler werden ließ, wirkte es gleichzeitig endlos und beenget. Ein wirklich gelungenes Bild! Rechts davon war das Wolgaufer an dem sich die beiden Liebespaare Varvara & Vanja und Kátja & Boris des nachts heimlich trafen. Links eine Puppenfabrik, in der Kátjas Schwiegermutter Marfa Kabanová herrschte. Dort wurden sinnbildlich kleine willenlose und perfekte Püppchen gezüchtet. Die Szenerie begleitete stets ein Mädchen, das ich als eine Art Kátja der nächsten Generation interpretiere. Sie spielte z.B. mit einer der Puppen, saß wimmernd unter einem der Tische der Fabrik, als Mafa Kabanová (die vermutlich ihre Mutter war) mit dem Priester schlief und hielt sich bei Streitereien im Haus schützend die Ohren zu.

Die, wie ich finde, geniale Idee mit der Puppenfabrik nutze Lydia Steier auch dazu, um den inneren Kampf Kátjas zu unterstreichen: Zu ihrem heimlichen, ehebrecherischen Treffen mit Boris, tauchte sie in einer traditionellen Tracht auf, die auch die Puppen trugen. Sie war nicht nur Opfer der äußeren Zwänge, sondern trug sie selbst auch tief in sich verwurzelt, als ein Teil von sich. In diesem Zusammenhang steht auch Lydia Steiers Dekonstruktion der Kulissen gegen Ende der Oper: Das einstige Zimmer war nur noch ein Gerüst und hatte noch nicht einmal Wände. Trotzdem konnte Kátja nicht einfach zusammen mit Boris fliehen. Ganz im Gegensatz zu Varvara und Vanja, die innerlich frei waren und ganz simpel und einfach in eine Gondel gestiegen und gegangen sind. Schließlich wurde Kátja von den Puppen (nun auf der Bühne als lebendige Frauen) bzw. sich selbst erdrückt. Die Puppen kullerten zwar teilweise leb- und willenlos durch den Raum – zogen sie jedoch an anderer Stelle einfach zu Boden.

Das Sängerensemble war wirklich toll ausgewählt! Die Titelpartie sang Valérie Suty absolut hingebungsvoll. Die Rolle nahm man ihr in jeder Sekunde ab. Da wirkte nix gekünstelt oder übertrieben. Ihre Stimme hat mich sehr beeindruckt und ich würde sehr gerne noch viel mehr von ihr hören. Auch wenn ihr in den leiseren und langsameren Stellen, für meinen Geschmack, etwas der Samt in der Stimme fehlte. Ihren Liebsten Boris sang Mark Duffin einfach nur großartig. Kátjas Ehemann Tichon übernahm Mark Rosenthal als Einspringer und hat mich ehrlich gesagt nicht wirklich überzeugt. Seine Mutter Marfa musste ebenfalls kurzfristig neu besetzt werden und wurde von Gabriela Künzler übernommen – und ich habe eindeutig Angst vor ihr! Sie hat die böse Schwiegermutter wirklich, wirklich böse interpretiert. Wirklich richtig, richtig gut hat mir Linda Sommerhagens Varvara gefallen. Ihre Stimmfarbe ist wunderschön und absolut klar. Ganz genau mein Fall. Michael Pegher steht noch ganz am Anfang seiner Karriere und konnte als Vanja Kudejasch durchaus punkten.

Mittwoch, 4. April 2012

La Bohème - Staatsoper Hamburg

Gestern hat mich, nach Waltraud Meier, die nächste prominente Absage innerhalb der letzten vier Wochen heimgesucht: Angela Gheorghiu hat in Hamburg das Handtuch geschmissen. Stattdessen wurde Barbara Frittoli eingeflogen.

Klar, die Überraschung, als ich von ihrer Absage las, war jetzt nicht gerade überwältigend – es hätte ja auch an ein Wunder gegrenzt, wenn Miss Tussi wirklich alle von ihr angekündigten Vorstellungen gesungen hätte…. 

Und auch in Hamburg wurden ihr diverse Extrawürste serviert: die Bohéme wurde z.B. mit zwei, anstatt mit einer Pause versehen. Warum? Man darf - bzw. ich mach’s einfach - an dieser Stelle spekulieren: schafft sie etwa, die nicht einmal 2h lange, Oper mit „nur“ einer Pause durchzuhalten? Oder wollte sie für das Hamburger Publikum - an das sie sich laut eines Interviews im Vorfeld nicht mehr erinnern konnte - eine besonders treffsichere Partie hinlegen? Wohl kaum…. ;) Zumal, wenn doch, ihr das offenkundig nicht gelungen ist. Denn ich war zwar am letzten Freitag nicht in der Vorstellung, aber im Dunstkreis der Oper und habe es mir daher nicht nehmen lassen, mir den Schlussapplaus anzusehen: frenetischer Jubel klingt anders – selbst im kühlen Hamburg. Zudem ist mir aufgefallen, dass Madame ein leicht abgeändertes Kostüm getragen hat. Die bisherigen Mimis sahen in Hamburg am Schluss immer anders aus….. ;)

Nun ja. Genug gelästert. Wenden wir uns dem Positiven zu: Barbara Frittoli habe ich bisher noch nie live gesehen und war daher besonders gespannt. Und: sie war wirklich ein großartiger Ersatz. Genau genommen wirkt für mich das Wort „Ersatz“ absolut fehlplatziert, denn vom ersten Moment an hätte ich sie um keinen Preis der Welt gegen eine andere Sängerin austauschen wollen. Sie hat eine wundervolle Stimme und singt einen absolut zielsicher in die Gänsehaut. Gut, zu Beginn gab es ein oder zwei versemmelte Töne, aber angesichts der kurzfristigen Zusage, ist das schnell verziehen.

Ihre Bühnenliebe Rodolfo, gesungen von Giuseppe Filianoti, hat’s mir gestern echt nicht angetan. Nach einem völlig vergeigten Schmachtruf gen Mimi, folgten noch einige weitere nicht ganz sauber gesungene Töne. Jedoch verflüchtigte sich dies zum Glück zum größten Teil nach der ersten Pause. Vielleicht kann man ihm zu Gute halten, dass er einiges an Rauch abbekommen hat, denn beim Verbrennen des Romans zu Beginn der Oper ist wohl einiges echt schief gegangen. Die Rauchentwicklung war so stark, dass man die werten Herren kaum noch sehen konnte und das obwohl sie verzweifelt versucht haben den Rauch in eine andere Richtung zu wedeln – bis sich schließlich einer von ihnen erbarmte und den kompletten „Ofen“ von der Bühne verbannte. Dass solche Aktionen nicht gerade die Stimmbänder ölen und zu butterweichen Tönen führen, liegt auf der Hand.

Die Musetta wurde gestern Abend von Katerina Tretyakova gesungen, von der ich ja, seit ich sie im Januar als Gilda gesehen habe, großer Fan bin. Und dies, wie sich bestätigt hat, zu recht. Mal ganz abgesehen von ihrer absolut treffsicheren und klaren Stimmführung, hat sie die Partie mit der nötigen frivolen Leichtigkeit gesungen – und gespielt! Wirklich großartig! Eine Musetta, genauso, wie man sie sich wünscht. Ihren Liebsten, den Maler Marcello, bestritt George Petean mit Bravour. Gut gesungen, gut gespielt! Moritz Gogg als Schaunard stand dem in nix nach und Adrian Sampetreans Colline war ebenfalls eindrucksvoll. In der „Mantelarie“, die für mich zu den Highlights in der Bohème gehört, fehlte mir allerdings der letzte Schliff: ein wenig mehr sonore Tiefe in der Stimme täte ihm da gut.

Am Pult stand die Generalmusikdirektorin Simone Young. Mit ihrem Dirigat konnte ich leider nicht so viel anfangen: es fehlte mir der nötige Bohème-Schmelz und das Drama. Es war mir alles ein wenig zu seicht und zu undefiniert.

Ein wirkliches Trauerspiel war allerdings das echt erkältete Hamburger Publikum. Mal abgesehen von permanenten "normalen" Husten und Schniefen (allein im letzten Bild haben fünf meiner direkt hinter, vor oder neben mir Nachbarn die Partitur mit ordentlichen Hustern erweitert), gab es in meinem Dunstkreis durchaus einige, denen ich dringend empfehlen würde einen Arzt aufzusuchen. Das was die da aus ihren Lungen nach oben gehustet haben, kann nicht gesund sein.

Die Inszenierung von Guy Joosten (Premiere 5. November 2006) finde ich gut – nicht mehr und nicht weniger. Sie ist kein Geniestreich, aber auch kein Grund zum Wegrennen: Es gibt durchaus schöne Bühnenbilder und das Gefälle zwischen prekären Lebenslagen der Möchtegern-Künstler und blinder jetzt-bezogener Euphorie wird deutlich.

Zum Schlussapplaus kann ich leider nix sagen, weil ich zu meinem Zug sprinten musste. Der allerletzte fuhr nämlich ziemlich exakt eine Viertelstunde nachdem Frau Young den Taktstock hat sinken lassen. Danke dafür Frau Gheorghiu, denn obwohl sie nicht einmal gesungen hat, wurde die 2. Pause trotzdem durchgezogen und somit das Verbleiben beim Applaus für mich unmöglich. Ihre Absage war offenbar zu kurzfristig, um zum Normalprogramm zurückzukehren.