©Sarah-Maria |
Eine solche Operation verlief damals ie folgt: zunächst stellte sich, mangels Narkose, ein Assistent hinter den sitzenden Patienten und presste dessen Kopf mit beiden Händen fest gegen seine Brust, um ihn zu fixieren. Der Starstecher stach nun in das Auge und drückte mit einer Starstichnadel die Linse gegen den Augapfel. Dort musst er sie eine Weile festhalten, weil sie andernfalls sofort wieder nach oben geflutscht wäre. Ohne die getrübte Linse konnte nun das Licht wieder auf die Netzhaut gelangen und der Patient konnte – zwar mit einer recht starken Übersichtigkeit, aber immerhin – wieder sehen. Im Anschluss an die OP wurden die Augen verbunden und es folgte die damals üblich bekannte Prozedur: Aderlass sowie Verabreichung diverser mehr oder weniger wirksamer Mittelchen. In der Praxis erwies sich das Ganze jedoch als äußerst heikel, denn bei etlichen Patienten traten anschließende schwere Komplikationen auf, dessen Folgen mitunter auch zum Tod führten.
Der Okulist Joseph Hillmer z.B. operierte sich mit sagenhaften 82% Misserfolg durch den russischen Adel. Man kann sich also unschwer vorstellen, dass es das A&O für einen erfolgreichen Okulisten war viel zu reisen: und dies tat nicht nur Joseph Hillmer, sondern ebenso John Taylor, der durch seine überlieferten Veröffentlichungen, Vorträge und zahlreichen Flugblätter bewies, dass er der Scharlatan unter den Scharlatanen war – und das "erfolgreiche" 30 Jahre lang.
Sein Erfolgsrezept: er war nicht gerade eine Niete in Sachen PR und verfasste die Nachrichten über seine Operationen in der Regel mehr oder weniger selbst. In den Berliner Nachrichten war z.B. 1750 über Bachs Operation zu lesen, dass sie erfolgreich verlaufen sei. Diese Botschaft erreichte auch Händel in London, der sich einige Zeit später ebenfalls in die Hände Taylors begab. Doch die Realität über Bachs OP sah ganz und gar nicht so rosig aus, wie von Taylor beschrieben: es traten Komplikationen auf und zudem schob sich die Pupille wieder zurück ins Auge. Wenige Monate später legte Taylor erneut Hand an. Jedoch erfolglos: Bach verbrachte die letzten Monate seines Lebens mit einer Augenbinde, derer er sich schließlich etwa 3 ½ Monate nach seiner letzten OP entledigte und tatsächlich wieder sehen konnte – jedoch erlitt an eben jenem Tag einen schweren Schlaganfall und starb zehn Tage später am 28. Juli 1750.
Gute zwei Jahre nach Bachs Tod, am 3. November 1752, trat der Komponist Georg Friedrich Händel seinen ersten – von einem Herren namens Bromfield durchgeführten – Starstich an und konnte kurz darauf auch wieder besser sehen. Allerdings nur kurzfristig, denn seine Blindheit nahm in der Folge rasanter zu als vor der Operation. Im August 1758 beging er den Fehler erneut und ließ sich nochmals operieren – diesmal von John Taylor. Am 14. April 1759 starb Händel in seiner Londoner Wohnung.
Wenige Jahre später (1761) publizierte John Taylor übrigens das Buch „History of the Travels and Adventures“. In dem er titelgemäß über seine Reisen sowie Begegnungen mit seinen prominenten Patienten berichtete.
Quellen:
Linke, H. J.: Der große Unbekannte. http://www.fr-online.de/kultur/literatur/der-grosse-unbekannte/-/1472266/3097730/-/index.html (zuletzt abgerufen am 18. Dezember 2010).
Bach.de: Leben · Leipzig · 1740-1750. http://www.bach.de/leben/leipzig_1740.html (zuletzt abgerufen am 18. Dezember 2010).
Einfach nur schrecklich! Es gab(und gibt) viele Scharlatane im Gesundheitsbereich.
AntwortenLöschenDie werten Herren Okulisten haben ihre Dienste mitunter sogar auf Jahrmärkten angeboten....
AntwortenLöschenIn Sachen medizinische Ausbildung waren sie oftmals - um es mal positiv auszudrücken - Autodidakten. Es hat einige Zeit gedauert, bis man durch Gesetze, sowie hoffnungsvollere Operationsmethoden in der Schulmedizin bewirken konnte, dass den umherreisenden Starstechern das Handwerk gelegt wurde.