Sonntag, 9. Dezember 2012

Umzug

Ich ziehe um! Es wurde einfach zu unübersichtlich. Ich möchte den Versuch wagen meine drei Blogs, mit ihren ganz unterschiedlichen Themen, zu vereinen:

SarahMaria.de

Ich weiß, so ein Blogumzug ist irgendwie lästig für euch Leser und ich habe auch einigermaßen lange hin und her überlegt - mich aber letztendlich entschieden es durchzuziehen. Die Gründe dafür erstrecken sich von organisatorischen Kausalitäten hinüber zu einem leichten Anflug von Ordnungsdrang sowie dem Wunsch nach Integrität – bis hin zu diversen Folgeerscheinungen von persönlichen Dingen und Veränderungen, die in mir und rund um mich herum in der letzten Zeit stattgefunden haben – und noch stattfinden werden. Ich hoffe dabei inständig, dass ich keinen von euch als Leser und Leserin verliere?

Beginnen möchte ich mit Mozart, den ich vor wenigen Stunden im Bremer Goethetheater gehört habe....


Dienstag, 27. November 2012

La Bohème - Staatstheater Oldenburg

Paul Zoller (Inszenierung) lässt die Oldenburger La Bohème im Hier und Heute spielen. Die Künstler treffen sich im ersten Bild nicht in einer abgerockten Pariser Wohnung, sondern vor einer Imbissbude mit Plastikstehtischen. Sie trinken Dosenbier und verbrennen, um sich zu wärmen, Rodolfos Manuskript in einem kleinen Mülleimer. Hier wird nix Romantisiert. Über der Szenerie hängt ein riesiger Weihnachtsstern und suggeriert dem Zuschauer die Parallelen zwischen dem Setting von einst in der Krippe und dem vor dem Bretterbüdchen.

Im schrillen Kontrast dazu spielt das zweite Bild in einem glitzernden Bling-Bling Glamour-Kaufhaus á la KaDeWe. Die Künstler sind Teil der Deko. In Eisbären- und Elchkostümen finden sie sich zwischen überdimensionalen Sektflaschen, Weihnachtsmännern und Hummern wieder. Drumherum wuselt der vorweihnachtliche schrille Konsumwahnsinn. Verstärkt wird das Ganze indem der Chor überall im Zuschauerraum positioniert wird. Mit Einkaufstüten und Kindern an den Händen eilen sie durch die Reihen und Ränge. Konfetti wird ins Parkett geworfen und Pagen weisen den Weg. Ein recht gelungenes Bild, wie ich finde, das den Kontrast der prekären Tristesse im ersten Bildes unterstreicht.

Im dritten Bild folgt der weitere Absturz. Die Protagonisten streifen allein und resigniert durch die post-weihnachtlichen Müllberge. Kehren für den unumgänglichen Tod Mimis nocheinmal zu der Imbissbude zurück. Dort erlischt bedeutungsschwanger der Weihnachtsstern. Mimi versucht im Todeskampf Intimität zu Rodolfo herzustellen und reißt sich die Kleider vom Leib. Doch scheitert auch darin. Dieses letzte Bild ist auf eine für die Bohème ungewohnt unkitschige Weise sehr herzzerreißend. Mimi stirbt allein, während die anderen hilflos daneben stehen.

In musikalischer Hinsicht war die Aufführung auf einem soliden Niveau: Roger Epple führte das Orchester sehr klangdicht durch die Partitur. Leider hier und da mit etwas zu viel Wums, so dass es die Sänger des Öfteren schwer hatten dagegen anzusingen. Angela Bic sang die Mimi sehr ausdifferenziert, mit viel Schmelz und sorgte insbesondere im letzten Bild für Gänsehaut. Daniel Ohlmann (Rodolfo) ließ sich als leicht indisponiert ansagen, konnte aber dennoch überzeugen. Inga-Britt Anderson als Musetta und Paul Brady als Marcello waren hervorragend besetzt. Und wirklich umgehauen hat mich Benjamin LeClairs (Colline) Interpretation der „Mantelarie“.

Dienstag, 13. November 2012

Madama Butterfly - Staatsoper Hannover

Mea culpa. Wer Sonntagnachmittag in eine Butterfly geht, ist selbst schuld. Sämtliche Reisebusse des Universums waren in Hannover. – und ich halt. Es scharrte, raschelte, hustete, nieste, schnäuzte, knisterte, schepperte und flüsterte – oder eben auch nicht – aus allen Reihen, Rängen, Ecken und Winkeln. Ein geschäftiges Treiben. Nach ziemlich genau 10 Minuten ging das erste Handy los. Kurz darauf wurden etwa zehn Zuspätkommer ins Parkett gelassen. Und irgendwo in meiner Nähe saß jemand, der stetig mit einem Fuß auf den Boden klopfte. Nicht rhythmisch zur Musik, sondern kontinuierlich, als eine Art Daseinsbestätigung seinerseits. Gegen Ende des ersten Aktes hatten sich dann aber immerhin alle Umsitzenden, leider nicht nur mit Hilfe von Gesten („Ach, guck an! Was es alles gibt!“), soweit verständigt, dass allen die Projektionsfläche für den Text über der Bühne bekannt war. Dies wiederrum führte dazu, dass die ständigen Gefühlsbekundungen zur Handlung proportional mit voranschreitender Zeit zunahmen. Und jetzt gerade frage ich mich, warum ich mir überhaupt die Mühe mache, selbst einen Bericht zu schreiben. Ich hätte einfach in meinem Handy die Aufnahmefunktion auf on klicken sollen – und zack – hätten wir gleich die Meinung von Vieren – ach, was sag‘ ich, es gab mindestens sechs in meiner näheren Umgebung mit einer regen mündlichen Beteiligung. Tja. Chance vertan. Wobei ich auch nicht sicher bin, ob die Aufnahmequalität ausgereicht hätte, um die Wortmeldungen angesichts des Dauerhusters hinter mir exakt zu entschlüsseln. Und ich sag’s euch: Wenn man  beginnt sich nur noch an die leise Hoffnung zu klammern, dass in Bezug auf eben jenem hinter einem, anschließendes einmaliges Haare waschen ausreicht, dann weiß man, was Resignation ist.... Was der über den Nachmittag erst leise röchelnd nach oben gewürgtschoben hat, hatte sich im zweiten Akt irgendwie irgendwo festgesetzt und er grunzte kontinuierlich durch „Es“ hindurch. Begleitet wurde das Drama von diversen herzhaften Schnäuz- und Hustattacken, die sich im dritten Akt für ihn auszahlten: Denn da begann es sich dann zu lösen. Ob es sich dabei um etwas akutes oder chronisches handelte, ist schwer zu sagen. Ich tendiere in meiner Diagnose aber zu chronisch, denn bei jedem Huster konnte ich in meiner Nase eine deutliche Teernote verzeichnen.

Angesichts dessen, war es nicht nur nicht leicht sich auf die Oper einzulassen, sondern in weiten Teilen schlicht unmöglich. Generell bleibt jedoch festzuhalten, dass die Hannoveraner Butterfly nach einem Konzept von Peter Brenner aus dem Jahre 1980 (Szenische Neueinstudierung: Charles Ebert, Bühne und Kostüme: Ottowerner Meyer) der Ex-Hamburger Butterfly von Ulrich Wenk sehr ähnelt: Es gab Kimonos, Paravents, umhertanzende Kirschblüten und ein Kind in Matrosenuniform. Es war eine Butterfly ganz genauso, wie man sie sich vorstellt. Das Bühnenbild war sehr ästhetisch. Alles handwerklich gut. Und eine solide Personenregie fehlte ebenfalls nicht. Es war schön kitschig – ohne albern zu sein. Gut, bis auf die Stelle mit dem Vogelgezwitscher, welches in das Vorspiel zum dritten Akt gemischt wurde. Klang nach Tweety auf Koks. – und an dieser Stelle hab ich mir nen ordentlichen Klingelton als Echo aus dem Publikum gewünscht - aber, wie gesagt, das war ne absolute Nullnummer. Leider. 

Generell dürfte die Inszenierung aber genau das beinhalten, was vielen wirklich gut gefällt. Meins ist es, um ehrlich zu sein, jedoch nicht unbedingt, denn ich mag es generell lieber ein wenig regietheaterlastiger. Und wenn schon Schmelz, dann hätte ich mir zum Schluss zumindest einen roten Farbbeutel unter Cio-Cio-Sans Kimono gewünscht. Dass der Paravent in rot ausgeleuchtet wurde, reichte mir irgendwie nicht an Dramatik, zumal es in Anbetracht des weißen Gewandes einen schönen Farbkontrast abgegeben hätte.

Die Besetzung war durchweg gut: Brigitte Hahn sang eine hochemotionale Madama Butterfly und konnte ganz besonders im Finale überzeugen – auch wenn ihrem Sopran mitunter etwas an Leichtigkeit und Flexibilität für eine Butterfly fehlte; - was bei ihrem Repertoire nicht wirklich verwunderte: Schließlich singt sie sonst Rollen wie die Brünnhilde oder Ariadne. Die Verwunderung war daher eher andersgepolt: Es hat mich wirklich erstaunt, wie überzeugend sie letztendlich die 15jährige Cio-Cio-San sang und auch spielte.

Ihre Dienerin Suzuki wurde von Khatuna Mikaberidze dermaßen gut gesungen, dass sie für mich zu den absoluten Highlights der Aufführung gehörte. Sie hat, wie ich schon im Hannoveraner Tannhäuser festgestellt habe, einen sehr klangschönen und ausdifferenzierten Mezzosopran. Latchezar Pravtchev brachte einen soliden und höhensicheren Pinkerton auf die Bühne. Insgesamt sah man sich mit Corinna Jeske (Kate Pinkterton), Brian Davis (Sharpless), Ivan Tursic (Goro) und Edgar Schäfer (Fürst Yamadori) einem guten Sängerensemble gegenüber. Die musikalische Leitung hatte Mark Rohde inne. Sein Dirigat war durchaus gut, wenngleich es für meinen Geschmack mitunter ein wenig zu blech- und paukenlastig war. Es klang passagenweise ein bisschen zu undifferenziert und laut.

Montag, 12. November 2012

Die Sache Makropulos - Goethetheater Bremen

Die Oper begann mit Tragik einer besonders realen Art: Patricia Andress, die Sängerin der Emilia Marty, brach sich zwei Wochen vor der Premiere bei einem Unfall das rechte Knie und den linken Fuß – und bekam in Folge einen Rollstuhl verpasst. Von einer Umbesetzung sah das Produktionsteam dennoch ab und so kam es zu einem unfreiwilligen, aber durchaus passenden, Regieentwurf. Passend deshalb, weil der Rollstuhl die innere Hinderung, die Lähmung der über 300 Jahre alten jungen Schönheit radikal ausdrückt.

Insgesamt war die Inszenierung (Regie: Anna-Sophie Mahler - Ausstattung: Katrin Connan, Sophie Krayer) sehr schlicht und setzte auf starke, konzentrierte Bilder: Das Anfangsbild, in dem Emilia reglos und allein auf völlig leerer Bühne „stand“, war in ein düsteres grau-grünliches Licht getaucht und suggerierte Endlosigkeit. Tod. Und vor allem die Leere, die in der Sinnlosigkeit eines unbegrenzten Lebens alles Leben im Keim erstickt: „Siehst du, die Kunst hat einen Sinn, solange der Mensch sie nicht beherrscht. Erst wenn er sie beherrscht, wenn er sie perfekt beherrscht, sieht er, dass sie überflüssig ist. Das ist genauso nichtig, Kristinka, genauso nichtig wie das Schnarchen. Singen ist das gleiche wie schweigen. Alles ist gleich. Es gibt keine Unterschiede.“ (aus dem Libretto)

Die Handlung begann: Ein Vorhang wurde aufgezogen. Spots an. Und Aktion. Für Emilia war das Leben nur noch eine Rolle, die sie alle paar Jahre änderte. Sie spielte immer sich selbst – und war dennoch längst nicht mehr als ein Hirngespinst. Innerlich tot.

Dennoch. Auch wenn das Regiekonzept durchaus durchdacht und einiges an Ausdruck zu bieten hatte, verstrichen viele Momente, in denen der Handlung keine zusätzliche unterstreichende Wirkung gegeben werden konnte. Die Personenregie setzte insgesamt vor allem auf Distanz - was durchaus ins Konzept passte, aber es ließ einige Passagen etwas langatmig wirken und verlieh weder der Musik noch der Handlung nennenswerte Konturen.

Ein absolutes No-Go für mich war die Übersetzung des Librettos aus dem Tschechischen ins Deutsche. Das hat nix mit Borniertheit zu tun – hoffe ich jedenfalls. Doch meines Erachtens hat jede Sprache eine eigene Melodie, die sich schwer bis gar nicht in einer anderen abbilden lässt. Und so klingen für mich Libretto-Übersetzungen immer irgendwie fehlplatziert und aufgepresst - bisweilen sogar ausdruckslos.

Der Abend konnte insgesamt hauptsächlich musikalisch punkten – und tat dies auch: Absolutes Highlight war das Dirigat von Clemens Heil! Er verstand es die gleißende, bohrende, hektische Musik Janáčeks mit poetischem Tiefgang zu versehen. Patricia Andress sang die Rolle der Emilia Marty äußerst eindringlich. Gen Ende sang sie zudem die brennende Sehnsucht nach Leben durch den Tod hochemotional. Insgesamt konnte die Sängerriege durch und durch punkten. Heiko Brönner sang die Rolle des Albert Gregor sehr durchdacht. Äußerst tiefenintensiv gestaltete Martin Kronthaler seinen Jaroslav Prus. Und auch Christian-Andreas Engelhardt (Vitek), Lusine Ghazaryan (Christa), Hyojong Kim (Janek) und Loren Lang (Kolenatý) rundeten die rundum gute Besetzung ab.

Fazit: Hingehen! Allein schon wegen der Oper an sich. Leoš Janáčeks Opern gehören sowohl musikalisch, als auch in Bezug auf die Handlung zu meinen absoluten Favoriten!