Mittwoch, 22. Februar 2012

Götterdämmerung - Staatsoper Hamburg

Vor der Aufführung trat Generalmusikdirektorin und musikalische Leiterin des Abends Simone Young, sichtlich gerührt, vor den Vorhang, um dem Hamburger Publikum den Tod der Star-Sopranistin Elizabeth Connell mitzuteilen. Sie war am Samstag im Alter von 65 Jahren verstorben. Connell sang in Bayreuth, Salzburg, Wien, der Met, Scala, DOB, usw. – ihr kennt die Liste. Zudem sang sie seit den 80er Jahren regelmäßig an der Hamburgischen Staatsoper Rollen, wie die Lady Macbeth, die Senta, die Isolde und zuletzt 2009 die Turandot. Frau Young widmete ihr die Hamburger Aufführung der Götterdämmerung.


Der Ring-Schluss trifft mich ja immer besonders hart. Aber vorgestern war's echt speziell. Am Ende hab' ich mich in ein anderes Jahrhundert gewünscht, in dem Fächer gängig waren, denn Brünnhildes Schlussmonolog hat mich echt umgehauen und ein wenig Extra-Luft und/oder Sauerstoffzelt wäre wünschenswert gewesen! ;)

Aber fangen wir von vorne an: Die Götterdämmerung beginnt so, wie der Siegfried aufgehört hat: Siegfried und Brünnhilde befinden sich nicht beieinander, sondern in getrennten Räumen auf den zweckmäßig renovierten Walkürenfelsen. Brünnhilde liegt im Bett, über ihr der immer noch zerstörte Spiegel. Siegfried macht Frühstück, hinter ihm die, drei nun reparierten, Fenster. Die Nornen bewegen sich wie Geister um die beiden herum. Siegfried packt schlussendlich seine Proviantbox, noch bevor Brünnhilde ihr „Ja“ für Siegfrieds Reise gibt.

Siegfried verlässt den Walkürenfelsen und schlagartig ist um ihn herum alles schwarz – doch noch bevor er selbst eine Richtung einschlagen kann, wird er, nicht nur sinnbildlich, sondern tatsächlich vom Gibichungenpalast überrollt. Jener ist ein riesiges 2-stöckiges Gebäude aus verwinkelten Räumen, die a) immer mal wieder neu gestaltet werden und b) dreht sich das Ganze auch noch permanent. Sie sollen die verschlungen und schwer zu durchschauenden Wege, Verträge und Intrigen der Macht symbolisieren. „Hör' und hüte dich: Verträgen halte Treu'!/  Was du bist, bist du nur durch Verträge;/ bedungen ist, wohl bedacht deine Macht.“ (Fasolt zu Wotan im Rheingold).
Einen besonderen Kniff in der Konstruktion stellen die, schon aus den anderen Teilen bekannten, Architektenplatten dar: sie sind in der Decke integriert und sind eine Art Fenster von dem die einstigen Machthaber versuchen Einfluss zu nehmen. Z.B. versucht Wotan, während Waltraute Brünnhilde zu überreden versucht den Ring abzugeben, vergeblich Einfluss auf Brünnhilde zu nehmen. Weiter steht Alberich im Zwiegespräch mit Hagen auch über ihn und lenkt ihn wie eine Marionette.

Gunther und Gutrune treten als Upper-Class-Kids auf und werden von Hagen instrumentalisiert. Der Clou an Claus Guths Götterdämmerung ist, dass Siegfried weder den Vergessens- noch den Erinnerungstrank trinkt. Dabei setzt Guth auf die mehr als traurige Vorgeschichte Siegfrieds, in der er stets instrumentalisiert wurde und ohne moralische Vorbilder aufgewachsen ist. Woher soll also auf einmal die psychische Standhaftigkeit kommen, sich den Intrigen entgegenzustemmen? Eine durchaus bestechende Logik. Doch Siegfried bleibt nicht in seiner Entwicklung stehen und besinnt sich im dritten Aufzug, überreicht Hagen Nothung und inszeniert somit seinen Tod. Genau wie Brünnhilde zieht er die Konsequenz aus seinen Handlungen.

Der Schluss bietet in Hamburg beeindruckende Bilder! Nachdem Siegfried gefallen ist, wandelt er im Tod den Weg durch das Labyrinth zurück zum Walkürenfelsen und wartet dort auf Brünnhilde. Während sich Hagens Gefolgschaft verzweifelt vor dem Feuer retten will, ziehen die Götter fanatisch feiernd ihrem Untergang entgegen. Brünnhilde steht vor dem lodernden Machtpalast, der langsam immer weiter in die Ferne schweift. In ihrem Tod findet sie ebenfalls den Weg zurück zum Walkürenfelsen. Sie streckt ihre Arme Siegfried entgegen und stirbt.

Musikalisch war der Abend gut und rund! Catherine Foster (Brünnhilde) konnte sich nochmals steigern und auch Christian Franz (Siegfried) war in guter Verfassung. Einen großartigen Auftritt legte ebenfalls Robert Bork als Gunther hin. Definitiv ein Sänger, den man sich merken sollte. Seine Bühnen-Schwester Gutrune, Anna Gabler, war gut – aber eben auch nicht mehr. Mit Attila Jun als Hagen musste ich ein wenig umdenken: ich hatte noch immer Hans-Peter Königs grandiose Interpretation aus der Met im Ohr und dagegen kam er einfach nicht an. John Wegners Partie (Alberich) war kurz aber oho. Deborah Humble als Waltraute konnte mich leider nicht überzeugen – auch hier hatte ich noch die Met-Übertragung im Sinn: Waltraut Meier war einfach rundum genial!

Hier noch ein Clip, in anderer Besetzung, von der Premieren-Reihe 2010:




Montag, 20. Februar 2012

Jeffrey Tate/ Deborah Voigt/ Hamburger Symphoniker - Laeiszhalle Hamburg


Der Samstag-Abend begann mit Strawinsky und seinem Ballett „Apollon musagète“, welches er 1928 als Auftragsarbeit der amerikanischen Mäzenin Elizabeth Sprague Coolidge für das Washington Festival of Contemporary Music komponierte. Coolidge war eine der bedeutendsten Förderinnen von zeitgnössischer Musik ihrer Zeit. Sie gab z.B. Stücke bei Béla Batrók, Benjamin Britten, Sergei Prokofjew, Maurice Ravel oder auch Arnold Schönberg in Auftrag.

Über die Komposition zu dem Ballett heißt es von Strawinsky selbst: „Am meisten schien mir dazu die diatonische Schreibweise zu passen. Die Klarheit dieses Stils bestimmte auch die Wahl der Instrumente. [...] Es lockte mich, eine Musik zu komponieren, bei der das melodische Prinzip im Mittelpunkt steht. Welche Freude, sich wieder dem vielstimmigen Wohllaut der Saiten hinzugeben und aus ihm das polyphone Gewebe zu wirken, denn durch nichts wird man dem Geist des klassischen Tanzes besser gerecht, als wenn man die Flut der Melodie in den getragenen Gesang der Saiten ausströmen lässt.“

Ich persönlich muss sagen, dass ich das Stück bisher noch nie zuvor live gehört habe und auch nicht sonderlich konzentriert bei der Sache war, da ich doch recht gespannt auf den zweiten Teil und insbesondere auf Deborah Voigt, die ich ja schon letzte Woche in der Met-Live-Übertragung der Götterdämmerung gesehen habe, gewartet habe. In jenem wurden Auszüge aus Wagners Götterdämmerung gespielt: begonnen wurde mit dem Sonnenaufgang zu Beginn des ersten Aufzugs, daran knüpfte Siegfrieds Rheinfahrt an, gefolgt vom Trauermarsch und schließlich vollendet von Brünnhildes Schlussmonolog.

Wie den meisten aufgefallen sein dürfte, ist in der Aufzählung nur ein Stück, wenn auch ein imposantes, enthalten in dem Frau Voigt zum Einsatz kam, was ich außerordentlich Schade fand. Dies sahen meines Erachtens die meisten Konzertbesucher, die da waren – muss man sagen, denn es waren erschreckend wenige da: so leer habe ich weder die Laeiszhalle noch irgendeinen anderen Konzertsaal jemals gesehen, auch so. Umso enttäuschender war es, dass sie sich, trotz langem Bitten und viel Applaus, zu keiner Zugabe hinreißen ließ.

Nichts desto trotz war der II. Teil durchaus hörenswert: die Voigt hat nach einigen anfänglichen Textpatzern wundervoll gesunden und der Orchesterklang war wirklich beeindruckend. Zumal durch den Stufenaufbau der Musikergruppen ein völlig anderer Klangmix entstand. Jeffrey Tate verstand es außerdem Wagner an den langsamen Stellen langsam genug und an den schnellen Stellen schnell genug zu dirigieren. Klingt simpel, kommt aber selten vor – wie ich finde. Und was uns seltsamer Weise alle vom Hocker gehauen hat, war die Triangel! Keiner von uns, und wir waren 10, hatte sie bisher jemals dermaßen markant bemerkt.

Das Ganze wurde übrigens auf DVD aufgezeichnet. Finanziert haben die Hamburger Symphoniker dieses Projekt erstmals via Crowdfounding.

Mittwoch, 15. Februar 2012

Siegfried - Staatsoper Hamburg

Hier nun mein, leider etwas verspäteter, Eindruck vom Hamburger Siegfried am letzten Sonntag:

Regisseur Claus Guth ließ den Siegfried auf der Bühne als das erscheinen, was er letztendlich ist: nämlich ein pubertierender Junge, der sich alleingelassen und recht ziellos durch die komplette Sagenwelt prügelt. Christian Franz hat diese Partie, wie gewohnt, nicht nur gut gesungen, sondern auch einmalig toll gespielt: Man hat ihm den aggressiven Jungen, der niemals stillsitzen kann und schnell draufhaut ebenso abgenommen, wie die quälende Identitätssuche, die ihn nicht zur Ruhe kommen lässt. Mit Tiermasken verkleidet suchte Siegfried verzweifelt nach seinem Ursprung und seiner Identität.

Mime, sehr gelungen interpretiert von Jürgen Sacher, war mit den quälenden Fragen des Jungen völlig überfordert und verkroch sich am liebsten, zusammen mit diversen Pillen, in seinem Bett. Er hatte es sich vermutlich einfacher vorgestellt ein Kind nach seinen Vorstellungen zu formen und hatte nun  - da Siegfried stärker war als er und eigentlich auch schon nicht mehr in sein Kinderbett so richtig reinpassen mochte  - die Kontrolle verloren. Mime war (schon längst) völlig wahnsinnig und geplagt von etlichen Ticks. Siegfried tat einem richtig Leid, vor allem da er immer noch viele sehr kindliche Eigenschaften hatte. Er schleppte z.B. ständig eine Puppe mit sich rum, die ihm äußerst ähnlich sah und wohl so etwas, wie seine Familie für ihn symbolisierte.

Den Wanderer/ Wotan versuchte Mime erfolglos von hinten zu erdrosseln und bekam schließlich doch noch den entscheidenden Tipp zur Neukonstruktion des Schwertes Nothung. Falk Struckmann war am Sonntag wieder gesund und konnte somit wieder auf der Bühne stehen. Seine Stimme donnerte mit viel Ausdruck eindrucksvoll die Partie und auch körperlich schien er bei Kräften, denn er rammte seinen Speer dann doch etwas zu heftig in den Kulissenboden, so dass dieser auseinandersprang.  

Als Siegfried schließlich von seiner Herkunft erfuhr, schmiedete er wahnhaft, aggressiv und gleichzeitig euphorisch das Schwert mithilfe aller erdenklichen Alltagsgegenstände: Er zerlegte, als wenn es kein Morgen mehr geben würde, die komplette Einrichtung. Selbst seine Puppe musste dran glauben. Am Ende des ersten Aufzugs presste Siegfried sein Gesicht gegen eine kleine milchige Scheibe zur Außenwelt. Eins war klar: er wird niemals wieder zurückkehren.

Im zweiten Aufzug fanden sich Mime und Siegfried vor der Höhle des Riesen Fafner (Wilhelm Schwinghammer) ein. Alberich, grandios interpretiert von John Wegner, versuchte sein sinnloses Dasein in Alkohol zu ertränken und war genau wie Mime, ohne mit der Wimper zu zucken, bereit, Siegfried zugunsten des Rings zu opfern. Die Kulisse erinnerte an einen DDR-Zoo: kahle zweckmäßige Fliesen kleideten den Boden vor der Höhle ein, welche sich hinter einer riesigen zerbrochenen Scheibe befand. Dort wucherte seit Jahren eine Art Urwald vor sich hin. Mit dem Erschlagen der vermeintlichen Bestie fiel die Blätterwand und eine weitere Wand trat zum Vorschein.

Der Waldvogel (gesungen von einer etwas schwächelnden Gabriele Rossmanith) kann in der Guth-Inszenierung als eine Art innere Stimme verstanden werden, die Siegfried zu entschlüsseln lernt. Er trat als Spiegelbild von Siegfried auf. Doch nachdem Siegfried Fafner erschlagen hatte, musste er sich erstmal mit den nach dem Ring geifernden Männern auseinandersetzen. Mime berichtete, nicht einmal hinter vorgehaltener Hand nur zu sich selbst, seine mörderischen Pläne, sondern sagte es Siegfried frei heraus ins Gesicht. Dass Siegfried ihn dann im letzten Augenblick aus Notwehr erschlug war gleichzeitig Erlösung wie auch die Erkenntnis, dass er nun absolut auf sich gestellt ist.

Im dritten Aufzug suchte Wotan Erda (Deborah Humble) in ihrer allwissenden Bibliothek auf und scheiterte schließlich daran Siegfried aufzuhalten. Wotans Macht war gebrochen. Siegfried konnte ungehindert seine Suche nach Brünnhilde fortsetzen, die von Catherine Foster wirklich wunderbar gesungen wurde. Ihre Stimmfarbe ist einmalig schön.

Da seit dem Feuerzauber bekanntlich einige Zeit vergangen war, glich Brünnhildes, schon im ursprünglichen Zustand nicht gerade wohnlichem zu Hause, nun einer völligen Ruine. Die obere Etage war heruntergekracht und Siegfried stand vor drei Fenstern: einem geschlossenen (erster Aufzug), einem zerbrochenen (zweiter Aufzug) und einem dritten, welches sich öffnen ließ.

Siegfried küsste Brünnhilde wach, musste jedoch feststellen, dass diese so gar nicht über seine Anwesenheit erfreut war. Hier nahm Claus Guth das Libretto beim Wort und ließ Siegfried sogar resigniert den Walkürenfelsen verlassen – um ihn schließlich doch noch für einen zweiten Versuch zurückkehren zu lassen. Am Ende zerschlug Siegfried den Spiegel (den man schon aus der Walküre kannte) und die beiden bestritten das Liebesduett nicht in inniger Umarmung, sondern nebeneinander. Sie zerfledderten Bücher (das Wissen der Nornen und Götter).

Als ich die Regie das erste Mal gesehen habe, hat mich die Oper sehr an die Zauberflöte erinnert. Auch da spielt ja der Konflikt Wissen/ Vernunft vs. Natur/ Emotion in der eigenen Identitätssuche eine große Rolle.  Nur dass es hier eher umgekehrt ist: Bei Mozart symbolisiert Sarastro, als Mann, das Wissen und die Königin der Nacht, als Frau sowie der Papageno, als na ja, irgendwie triebhaftes schon fast tierisches Wesen, die Natur.


Montag, 13. Februar 2012

Götterdämmerung - Met im Kino


Ich habe letztes Jahr schon die Walküre gesehen, dann den Siegfried verpennt und nun bin ich am Samstag wieder ins Kino zur Götterdämmerung gepilgert. Die Inszenierung (Robert Lepage) fand‘ ich, um ehrlich zu sein, zunehmend langweiliger. Die komplette Ring-Kulisse wurde von einer beweglich komplizierten Bühnenmaschinerie bestritten (siehe Clip unten). Doch was in dem Zusammenschnitt recht eindrucksvoll aussieht, neigte zu etlichen Wiederholungen und mitunter auch unfreiwillig komischen Bildern. Denn in Kombination mit den recht archaischen Kostümen wirkten die Sänger teilweise etwas plump, wenn sie über die Maschine kletterten und versuchten dabei nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Zudem erntete Grane, Brünnhildes Pferd, bei jedem Auftritt Lacher in der Art, die ein 3D und Special-Effects gewöhnter 16-Jähriger austeilen würde, wenn in einem seiner Streifen auf Mal ein schwarz-weiß Stop-Motion Godzilla über die Leinwand eiern würde. Ich habe am Samstag immer ein bisserl mitgefiebert, ob das Blech-Götterross den Auftritt alleine schafft - oder vielleicht doch ein Bühnenarbeiter mit Ölflasche nachhelfen muss….

Die Personenregie war in jeder Hinsicht absolut traditionell. Da kam es auf die Protagonisten an, ihre Rollen spannend zu interpretieren - was vielen außerordentlich gut gelungen ist, jedoch einigen ein wenig mehr Textverständnis gut getan hätte. Bei dem Siegfried (Jay Hunter Morris) hatte ich manchmal das Gefühl, er weiß eigentlich gar nicht so genau, was er da eigentlich gerade singt. Zudem war er insgesamt auch nicht mein Liebling des Abends: seine Stimmfarbe und äußerste seltsame Betonung war echt nicht meins. Das haben aber andere, sprich Freunde von mir, ganz anders gesehen und fanden seien Auftritt durchaus gelungen.

Der absolute Star des Abends war für mich Hans-Peter König als Hagen. Echt! Was für eine Stimme! Man hatte das Gefühl er zieht die Töne direkt aus der Erde und nutzt die komplette Unterbühne als Resonanzkörper gleich mit. Und natürlich war der Auftritt von Waltraud Meier als Waltraute ein Fest! Die gemeinsame Szene mit Brünnhilde (Deborah Voigt) war ein absolutes Highlight. Ich bin immer wieder begeistert, wie sehr sie es schafft, in einem ganz genau die Gefühle zu wecken, die ihre Figur gerade durchmacht!

Voigts Brünnhilde war außerdem absolut sehens- und hörenswert. Wir wissen alle, dass die Partie außerordentlich schwer ist und zudem sehr viel Ausdauer erfordert. Das hat sie mit Bravour gemeistert und sie wusste ihre Stimme so zu führen, dass sie niemals schwächelte. Kurz aber oho war zudem der Auftritt von Eric Owens als Alberich.

Iain Paterson als Gunther sowie Wendy Bryn Hammer als Gutrune waren beide gut, haben mich aber nicht nachhaltig beeindruckt. Ganz im Gegenteil zum Dirigat von Fabio Luisi: er hat die Götterdämmerung mit viel Götterdonner und Dämmerungsschmerz dirigiert. Absolut beeindruckend, welche Klangvielfalt er aus dem Orchestergraben rausgezogen hat.


Montag, 6. Februar 2012

Die Walküre - Staatsoper Hamburg


Ein Hirn ist schon was tolles! – besonders dann, wenn’s funktioniert…. Meins hatte gestern leider einen dicken Aussetzer, so dass ich eine Stunde später als geplant mit dem Zug gen Hamburg gefahren bin. Dieser kam exakt 17 Minuten vor Vorstellungbeginn am Hauptbahnhof an und ich musste mich strategisch passgenau am Zugausgang positionieren, damit ich noch die nächste U-Bahn erwischen konnte. Aber es hat alles geklappt und ich bin noch knapp vor’m Schließen der Türen in den Zuschauerraum gerauscht. :D

Zum Glück – wie ich im Nachhinein sagen muss! Denn den ersten Aufzug zu verpassen ist zwar immer tragisch, aber in diesem Fall wäre es sogar dramatisch tragisch gewesen, denn der Siegmund, Simon O’Neill, hat dermaßen gut gesungen, dass es mir auch noch den letzten Rest meines Hirns weggepustet hat. Die Töne kamen ganz sicher und offensichtlich aus jeder Faser seines Körpers und haben viel mehr transportiert als den reinen Klang. Ich war und bin ernsthaft begeistert! Und habe auch schon seinen Termin-Kalender studiert: leider singt er selten in Reichweite.

Ein weiteres „Leider“ muss man bezüglich der Sieglinde (Heidi Brunner) resümieren: denn sie hat insgesamt nicht sonderlich geglänzt und neben Simon O’Neill wirkte sie richtig farblos. Sie hat mir insgesamt zu schrill und mit viel zu wenig Substanz gesungen sowie zudem noch den einen oder anderen Ton derb versemmelt und/ oder verschluckt. Schade.

Der Wotan wurde gestern Abend von Thomas J. Mayer gesungen, welcher für den erkrankten Falk Struckmann eingesprungen ist. Diesen Besetzungswechsel gab es auch schon 2008 zur A- und B-Premiere der Walküre, denn Herr Stuckmann war damals ebenfalls gesundheitlich lädiert. Damals sang Herr Mayer die Premiere von der Bühnenseite, während jemand anderes spielte (bin mir grad nicht mehr sicher, ob es Herr Struckmann war oder ein Spielleiter, o.ä.). Zur B-Premiere, in der ich damals war, hat er dann die Rolle sowohl gespielt als auch gesungen. Dabei ist ihm eine äußerst charmante Panne unterlaufen:

Die Walküren-Inszenierung von Claus Guth beginnt auf einer riesigen Architektenplatte (die auch schon im Kleinformat im Rheingold Bestandteil der Regie war). Auf dieser Platte lenkte Wotan das Geschehen und so auch die Tatsache, dass Siegmund bei Sieglinde und Hunding (Peter Rose) einkehrte. In der Mitte der Platte befand sich die Tür zum Heim der beiden. Im Laufe der Handlung drehte sich diese Tür immer mal wieder, so dass die Figuren mal drinnen, mal draußen waren. Und jetzt kommt der Kniff: während Sieglinde Siegmund von dem Schwert berichtete, wurde ihre Erinnerung quasi nachgestellt und Wotan erschien, um Notung in die Esche – hier der Türrahmen – zu rammen. Doch Herr Mayer war zur B-Premiere wohl noch nicht ganz firm, was die Regie anging und fand offenbar den dafür vorgesehenen Schlitz nicht, so dass er erst suchte und bohrte, bis er schließlich aufgab und das Schwert an den Türrahmen lehnte. Da sich die Tür aber im weiteren Verlauf immer weiter drehte, verrutsche es und Sieglinde stellte es schließlich wieder aufrecht hin. Schlussendlich fasste sich der Siegmund ein Herz und rammt das Schwert in den vorgesehenen Schlitz – um es kurz darauf heldenhaft wieder herauszuziehen.

Diese kleine Panne war damals Pausengespräch No. I, denn die meisten nahmen an, dass es Bestandteil der Regie sei, dass Wotan nicht in der Lage war, das Schwert in die Esche zu schlagen, während Siegmund es gleichzeitig rein- und rauszog. Ihr könnt euch vorstellen, dass das zu diversen hanebüchenen Interpretationen führte….. Gestern verlief die Nummer mit dem Schwert übrigens reibungslos.

Der zweite Aufzug begann in Walhall. Wotan saß vor seiner Architektenplatte und an der Wand lehnte das Weltenmodell aus dem Rheingold sowie eine Art Puppenhaus, welches sich im dritten Aufzug als Walkürenfelsen entpuppt.

Herr Mayer begann seine Partie leider ein wenig lasch. Ihm fehlte der nötige donnernde Tiefgang für einen ordentlichen Wotan. Allerdings konnte er sich über die Zeit steigern und den Schluss fand ich dann doch recht eindrucksvoll. Lilli Paasikivi passte sowohl stimmlich, als auch darstellerisch gut in die Rolle der Fricka und überredete Wotan, Siegmund zu töten bzw. nicht zu beschützen, äußerst passgenau schnippisch. Catherine Foster finde ich die bessere Besetzung für die Brünnhilde als Deborah Polaski, die sonst regelmäßig die Hamburger Brünnhilde (bis auf die im Siegfried, dafür reicht ihre Stimme nicht) gesungen hat. Frau Foster hätte zu Beginn des zweiten Aufzug allerdings etwas lauter singen können, aber das hat sie im Laufe der Vorstellung korrigiert, so dass sie noch für einige sehr eindrucksvolle Momente sorgen konnte.

Das zweite Bild des zweiten Aufzugs – der Teil, in dem Brünnhilde Siegmund erst töten und dann retten will. Wotan schließlich einschreitet und Siegmund den Kampf mit Hunding verlieren lässt. Sowie Brünnhilde mit Sieglinde abhaut – spielte unter der Architektenplatte, die immer mal wieder, passend zur Handlung, flackert sowie der On-Off-Knopf mal an, mal aus war.

Der letzte Aufzug begann wie immer mit dem Walkürenritt auf dem Walkürenfelsen. Die Walküren leben in der Guth-Regie in einem Keller (zur Premiere war übrigens grad das Thema Amstetten aktuell), welcher nur mit einer, oben gelagerten, Leiter betreten werden konnte. Dorthin flohen Brünnhilde und Sieglinde, um Schutz zu suchen. Doch die Schwestern, die ihre Kleider falschrum trugen, Kampfszenen probten und sich im nächsten Moment schreckhaft in ihren Hochbetten versteckten, waren viel zu verängstigt, um sich dem Vater entgegen zu stellen bzw. sich seinem Wunsch zu widersetzen.

So kam es, wie es kommen musste: Sieglinde konnte zwar fliehen, doch nur, weil Brünnhilde sich dem Zorn Wotans stellte. Welcher sofort klar machte: „Was sonst du warst, sagte dir Wotan: was jetzt du bist, das sage dir selbst! Wunschmaid bist du nicht mehr; Walküre bist du gewesen: nun sei fortan, was so du noch bist!“

Und obwohl sie durch ihre Entscheidung Siegmund retten zu wollen, dem eigentlichen Willen Wotans entsprochen hat, hat sie sich durch das Widersetzen seiner Befehle quasi zu einer eigenen Identität emanzipiert. Das nun folgende Duett mit Wotan, bestritt Brünnhilde somit mintunter auf Augenhöhe und stand mit Wotan z.T. Rücken an Rücken. Dann folgte der Feuerzauber und bevor Brünnhilde ihre Strafe empfing, blickte sie noch einmal ihrem Spiegelbild entgegen….

Diese Stelle kann auch schon ein wenig als Ausblick auf den Siegfried gesehen werden, in dem Claus Guth die Suche nach der eigenen Identität als Kernstück in seiner Regie aufgreift und sowohl Spiegel als auch geschlossene, winzige, riesige, offene, zerbrochene und milchige Fenster immer wieder Teil der Kulissen sind.

Die musikalische Leitung hatte erneut Simone Young inne und sie hat solide durch den Abend geführt.

Vom Schlussapplaus kann ich leider nicht berichten, weil ich zeitgleich mit dem geschlossenen Vorhang den Saal im Sprint verlassen habe, denn sonst hätte ich meinen Zug um 21.15h nicht bekommen und hätte mich zwischen einige eisige Stunden warten + teuren IC oder einer 2-½-stündigen Bummelfahrt inklusive Schienenersatzverkehr entscheiden müssen.

Freitag, 3. Februar 2012

La Traviata - Staatsoper Hamburg

Nach 37 Jahren und über 260 Vorstellungen hat es sich in Hamburg ausgetraviatert. Es wurde zwar schon geklebt, gekittet und geschraubt, aber die Kulissen der Inszenierung von Folke Abenius brechen unweigerlich auseinander. Viele Hamburger Opernfreunde trauern nun um diese klassisch schöne, in the Art of dahinschmelzing Produktion und auch ich wollte noch ein letztes Mal „Bye Bye“ sagen.

Leider gab es in der gestrigen Vorstellung jedoch einen wirklich bedauernswerten Alfredo-Ausfall: Massimi Giordano wurde durch Leonardo Capalbo ersetzt. Und mit ihm bin ich einfach nicht warm geworden. Seine Arien im zweiten Akt/ erstes Bild hat er zwar wirklich ordentlich gesungen, aber insgesamt fehlte mir da das Feuer - die Achs und Hachs. Zudem fand‘ ich sein Schauspiel mitunter wirklich extrem affektiert.

Dafür hat seine Partnerin Ailyn Pérez einiges an schönem Schmelz wieder rausgeholt. Sie hat die Rolle der Violetta gesanglich wie darstellerisch wunderschön, mitten ins Herz und mit genug bühnenechter Verzweiflung gesungen. Einfach genauso, wie man sich das vorstellt. Ebenso eindrucksvoll war Dalibor Jenis als Giorgio Germont, den ich zudem auch nicht zum ersten Mal in dieser Partie gesehen habe: stimmsicher und mit bestimmter versus gefühlsweicher Väterlichkeit hat er seine Rolle auf den Punkt interpretiert.

Die musikalische Leitung hatte der 29-jährige Alexander Soddy inne, welcher 2005 in Hamburg als Korrepetitor und bald darauf als 1. Assistent von Generalmusikdirektorin Simone Young begann, in der Saison 2008/09 mit der Zauberflöte seine erste Vorstellung im großen Haus dirigierte und seit der letzten Spielzeit an der Hamburgischen Staatsoper als Kapellmeister tätig ist.

Mir hat sein gestriges Dirigat sehr gut gefallen. Das Italienische liegt ihm irgendwie und er versteht es die Mischung aus leisem, zerbrechlich Schönen mit den ganz großen Emotionswellen zu vereinen.

Es gibt noch sechs Vorstellungen am 8.,9.,11.,14.,16. und 18. Februar in unterschiedlicher Besetzung:
Violetta: Ailyn Pérez (2.,8.)/ Inga Kalna (9., 11., 14., 16., 18.)
Alfredo: Massimo Giordano (2., 8., 14.)/ Francesco Meli (9., 11., 16., 18.)
Giorgio Germont: Dalibor Jenis (2., 8., 14.)/ George Petean (11.)/ James Rutherford (9., 16., 18.)



"Demnächst" (aus Journal - Magazin der Hamburgischen Staatsoper) wird es dann eine Neuproduktion der Traviata geben. Ich vermute, dass sich diese vage Formulierung in der nächsten Spielzeit, anlässlich des Verdi-Jahres, ansiedeln wird.....

Mittwoch, 1. Februar 2012

Franz Grundhebers 2000ster

Heute Abend wird Franz Gundheber seine 2000. Hamburger Vorstellung singen! Er wird den Amonasro aus Verdis Aida interpretieren.

Der weltberühmte Bariton wurde am 27. September 1937 in Trier geboren und singt bis heute auf den größten Opernbühnen der Welt. Er hat mir Dirigenten wie Karajan, Barenboim oder Abbado zusammengearbeitet und kann auf zahlreiche Plattenaufnahmen zurückblicken. Seinen ersten Auftritt an der Hamburgischen Staatsoper hatte er am 27. Oktober 1966. Allein dort hat er die unglaubliche Zahl von 124 Rollen verkörpert! Und wer jetzt noch nicht genug rekordverdächtige Zahlen hat: im dritten Jahr der Intendanz von Rolf Liebermann sang er 162 Vorstellungen und lernte 30 verschiedene Rollen.

1976 wurde er zum österreichischen Kammersänger ernannt und 1986 zum Kammersänger der Stadt Hamburg. 1996 war er der erste Deutsche, der in der Arena von Verona den Amonasro sang und 1999 der erste Deutsche, der die Rolle des Rigoletto an der New Yorker Met interpretierte. Im Jahre 2002 wurde er von Publikum und Kritikern für seinen Auftritt bei den Salzburger Festspielen gefeiert. Denn als erster Sänger überhaupt gelang es ihm in „Die Liebe der Danae“ (Richard Strauss) in den Originaltönen zu singen. Am 27. Oktober 2006 wurde er anlässlich seines 40-jährigen Bühnenjubiläums zum Ehrenmitglied der Hamburgischen Staatsoper ernannt. Zu diesem Zeitpunkt verkörperte er weltweit bereits 160 Rollen in etwa 6000 Vorstellungen.

In diesem Sinne: Herzlichen Glückwunsch Franz Grundheber und toi toi toi für die heutige Vorstellung!

Quellen:
SWR: Franz Grundheber. http://www.swr.de/100-groessten-rheinland-pfaelzer/kandidaten/-/id=2616472/nid=2616472/did=2465712/1al9qfi/index.html(abgerufen am 01.02.2012).
Hamburger Abendblatt: Franz Grundheber: Ein Leben für die Stimme. http://www.abendblatt.de/kultur-live/article2175736/Franz-Grundheber-Ein-Leben-fuer-die-Stimme.html(abgerufen am 01.02.2012).